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Hamburg bekommt Transparenzgesetz - Verträge müssen veröffentlicht werden

Transparenzhauptstadt der Bundesrepublik ist in Zukunft Hamburg. Mit dem neuen Transparenzgesetz müssen Dokumente von öffentlichem Interesse im Internet veröffentlicht werden.

von Martin Reyher, 12.06.2012

Hamburg bekommt das bislang weitreichendste Transparenzgesetz in Deutschland. Künftig müssen Politik, Verwaltung und städtische Unternehmen Dokumente von öffentlichem Interesse unaufgefordert und kostenfrei im Internet zur Verfügung stellen. Darauf gedrängt hatte eine von Mehr Demokratie, Transparency International und Chaos Computer Club initiierte Volksinitiative. Die Parteien in der Hamburgischen Bürgerschaft haben nun überraschend eingelenkt, schon morgen soll das Gesetz im Landesparlament verabschiedet werden. (Update 13.6.2012: Die Hamburgische Bürgerschaft hat heute das Transparenzgesetz einstimmig beschlossen. Ein ursprünglich für Sommer geplantes Volksbegehren ist deswegen vom Tisch.)

 

Mit der Einführung des Transparenzgesetzes wird Hamburg Transparenz-Hauptstadt. Anders als im Informationsfreiheitsgesetz, das nun durch das Transparenzgesetz ersetzt wird, sind viele Daten nicht mehr nur auf Antrag zugänglich, sondern für Bürgerinnen und Bürger frei in einem Informationsregister über das Internet abrufbar. Zu den Informationen, die dort von Amtswegen veröffentlicht werden müssen, zählen:

  • alle Verträge über 100.000 Euro, die im weitesten Sinne die öffentliche Daseinsvorsorge betreffen,
  • Subventionsvergaben,
  • Gutachten,
  • öffentliche Pläne,
  • Senatsbeschlüsse,
  • Geodaten,
  • wesentliche Unternehmensdaten städtischer Beteiligungen inklusive der jährlichen Vergütungen und Nebenleistungen der Leitungsebene,
  • Bau- bzw. Abrissgenehmigungen uvm.

Das Hamburgische Transparenzgesetz ist nicht nur das weitreichendste im ganzen Land, sondern dürfte auch das erste über ein Wiki verfasste Gesetz sein (siehe hier). Der am Mittwoch zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf war in wesentlichen Teilen in einer Gemeinschaftsarbeit von Bürgerinnen und Bürgern über das Netz sowie in Bündnistreffen erarbeitet worden. Aus dem Informationsrecht der Bürger ist so nun eine Informationspflicht der Behörden geworden - ein Meilenstein auf dem Weg zu einer offenen Gesellschaft. Sämtliche Daten werden strukturiert und maschinenlesbar zur Verfügung gestellt. Aus Sicht des Chaos Computer Clubs wird die gesetzliche Festschreibung von Open-Data Grundsätzen bundesweit Maßstäbe setzen. „Jetzt ist sichergestellt,“ so Michael Hirdes vom CCC, „dass mit öffentlichen Geldern generierte Daten auch für alle Bürger zugänglich sind." Das Amtsgeheimnis hat im Wesentlichen ausgedient. Transparency International sieht in den künftig frei zugänglichen Informationen ein wirksames Mittel gegen Steuerverschwendung und Korruption. „Da Bürger und Öffentlichkeit nun frühzeitig Einblick erhalten, werden sie auch frühzeitig auf einen Missstand aufmerksam machen können,“ so Gerd Leichlich von Transparency. Personenbezogene Daten sowie juristisch klar definierte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bleiben durch das Transparenzgesetz geschützt. In Zweifelsfällen entscheidet der Hamburgische Datenschutzbeauftragte. Im November und Dezember 2011 hatte das Transparenzbündnis aus Mehr Demokratie, Transparency, CCC, Piratenpartei, ödp, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, attac, und Omnibus für direkte Demokratie 15.119 Unterschriften gesammelt. Daraufhin war der SPD-geführte Senat zusammen mit allen Bürgerschaftsfraktionen im Mai 2012 in die Verhandlungen mit der Volksinitiaitive eingestiegen. Das Hamburgische Transparenzgesetz wird in diesem September in Kraft treten. Das Informationsregister als zentrale Anlaufstelle im Netz muss der Öffentlichkeit spätestens in zwei Jahren zur Verfügung stehen. Bei der Ausgestaltung soll die federführende Finanzbehörde auch externen Sachverstand aus der Volksinitiative einholen. Finanziert wird das Register aus Mitteln des IT-Globalfonds der Stadt Hamburg. (Update 20:55: Pressemeldung der Handelskammer Hamburg Stellungnahme von Prof. Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg, am 12. Juni 2012 zum Hamburgischen Transparenzgesetz, über das die Bürgerschaft morgen beschließen soll)

Unsere Handelskammer kritisiert das überstürzte Gesetzgebungsverfahren scharf. Ohne Rücksicht auf die Investitions- und Folgekosten und ohne Einbindung von Kammern und Verbänden wurde ein Gesetz, das angeblich die Demokratie stärken soll, in die Bürgerschaft eingebracht. Inhaltlich betrachten wir insbesondere das vorgesehene Sonderkündigungsrecht von Verträgen durch die Stadt als inakzeptabel. Mit dieser Regelung wird das öffentliche Vergabewesen ausgehebelt und ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit für die Vertragspartner der Stadt geschaffen. Außerdem bedarf es eines sehr sorgfältigen Umgangs mit der Regelung zu den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, wenn die Stadt ein Interesse daran hat, in Zukunft überhaupt noch mit wettbewerbsfähigen privaten Unternehmen Verträge abzuschließen. Auf den Steuerzahler kommen zusätzliche Kosten zu.

Nach Angaben der Volksinitiative "Transparenz schafft Vertrauen" wurde der Handelskammer mehrfach ein Gesprächstermin angeboten, u.a. per Brief vom 27. April 2012 sowie in vorherigen Telefonaten.

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