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Schärfere Gesetze gegen Abgeordnetenbestechung: Die Vorschläge der Opposition

Bisher ist Abgeordnetenbestechung in Deutschland nur strafbar, wenn sie sich direkt auf den Stimmenkauf bezieht. Alle anderen Fälle, beispielsweise auch nachträgliche Geschenke, sind legal. Einen beschlussfähigen Gesetzentwurf um zumindest die UN-Standards zur Bekämpfung von Korruption umzusetzen, gibt es bislang nicht. Die Opposition hat verschiedene Entwürfe eingebracht, scheitert aber an der Koalition und an Uneinigkeit zwischen den Fraktionen.

von Redaktion abgeordnetenwatch.de, 11.09.2012

Von Kerstin Grözinger

Abgeordnetenbestechung ist in Deutschland strafbar - zumindest theoretisch. Im Strafgesetzbuch gibt es zwar einen entsprechenden Paragraphen mit der Überschrift "Abgeordnetenbestechung", doch in besagtem §108e StGB geht es ausschließlich um den Stimmenkauf und –verkauf von Abgeordneten. Eine Bestrafung auf Grundlage von § 108e StGB kommt auch nur dann infrage, wenn die Abstimmung oder Wahl zum Zeitpunkt des Stimmen(ver)kaufs noch bevorsteht. Nimmt ein Volksvertreter dagegen im Nachhinein, also quasi als Belohnung für sein Abstimmungsverhalten, eine "Dankeschön-Spende" an, geht er straffrei aus. Auch anderes Verhalten, das viele Menschen als strafwürdig empfinden würden – etwa die Annahme von nichtfinanziellen Vorteilen wie Urlaubsreisen – wird überhaupt nicht unter Strafe gestellt.

Eine UN-Konvention gegen Korruption und Abgeordnetenbestechung wurde von Deutschland 2003 zwar unterschrieben, jedoch bis heute noch nicht in nationales Recht umgesetzt. Die momentane gesetzliche Regelung öffnet Lobbyisten mit gut gefüllten Kriegskassen deswegen Tür und Tor.

An Vorschlägen für eine Änderung des § 108e mangelt es aktuell nicht. Die Oppositionsparteien SPD, Grüne und Linke haben allesamt eigene Vorschläge für eine Anpassung vorgelegt, die sich in wesentlichen Punkten ähneln. Ihnen zugrunde liegt die Ausdehnung der Strafbarkeit vom Stimmen(verkauf) auf eine allgemeine Vorteilsnahme.

So fordern die Sozialdemokraten eine Strafbarkeit für jeden Vorteil der gefordert, versprochen oder angenommen wird. Nicht als strafwürdige Vorteile gelten demnach politische Mandate oder Funktionen sowie Parteispenden und Vergünstigungen, die den "parlamentarischen Gepflogenheiten" entsprechen. Diese Vorschläge wirken sprachlich klar und präzise, eröffnen jedoch nach wie vor viele Möglichkeiten der Vorteilsnahme.

Grüne und Linke gehen in ihren Gesetzesentwürfen weiter. Die Grünen wollen die Forderung oder Annahme eines rechtswidrigen Vorteils in Zusammenhang mit der Wahrnehmung des Mandats bestrafen, im Gesetzentwurf der Linksfraktion klingt dies ähnlich. Ein rechtswidriger Vorteil liege dann vor, wenn die Verknüpfung der Mandatsausübung mit der Annahme einer Gegenleistung als verwerflich anzusehen ist. Strafbarkeit ist sowohl bei Linken als auch bei den Grünen auch dann gegeben, wenn der Vorteil Dritten zugute kommen soll. An beiden Gesetzentwürfen ist vor allem die Schwammigkeit der Formulierung kritisch. Was „verwerflich“ ist, ist immer nur anhand eines konkreten Einzelfalls feststellbar und führt so zu Rechtsunsicherheit. Alle drei Gesetzentwürfe enthalten gelungene Ansatzpunkte, um die großen, bestehenden Lücken bei der Strafbarkeit von Abgeordnetenbestechung zu schließen. Gegner der Konvention argumentieren oft, dass eine Bestrafung von Vorteilsnahme durch Abgeordnete zu einer Einschränkung des freien Mandats führt. Man kann es aber auch von der anderen Seite betrachten: Der Einfluss von finanzstarken Gönnern schränkt die freie Willensentscheidung der gewählten Volksvertreter ein. Denn dann können Abgeordnete ihr Mandat nicht mehr nach bestem Wissen und Gewissen ausüben.

Auch wenn man bedenkt, dass für Beamte bereits strenge Regelungen zur Vermeidung von Korruption gelten und auch die meisten großen Wirtschaftsunternehmen entsprechende Normen erlassen haben, stellt sich die Frage, wieso für Parlamentarier nicht Ähnliches gelten soll. Das Schutzprivileg des "freien Mandates" sollte dort Grenzen haben, wo Parlamentarier nicht mehr das Volk vertreten, sondern eigene ökonomische Interessen im Auge haben.

Unterzeichnen Sie jetzt unsere Petition für die Strafbarkeit von Abgeordnetenbestechung!

Update 5.10.2012: SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat die schwarz-gelbe Koalition im Zusammenhang mit der Diskussion um seine Nebentätigkeiten aufgefordert, Abgeordnetenbestechung unter Strafe zu stellen. Der BILD-Zeitung sagte er:

Ich schlage hiermit vor, die Transparenzregeln des Deutschen Bundestages so zu verschärfen, dass alle Angeordnete auf Heller und Pfennig angeben müssen, von wem und wofür sie in welcher Höhe für eine Nebentätigkeit bezahlt worden sind. Ich fordere Union und FDP auf, einer solchen Neuregelung zuzustimmen. Außerdem fordere ich CDU und FDP auf, Abgeordnetenbestechung in Zukunft endlich unter Strafe zu stellen. Ich bin gespannt, ob Frau Merkel, Herr Westerwelle und Herr Seehofer dies unterstützen.

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