CDU-Fraktionsvize Michael Fuchs geht juristisch gegen abgeordnetenwatch.de vor

Von der Öffentlichkeit unbemerkt war der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Fuchs jahrelang für eine von MI6-Agenten gegründete Beratungsfirma tätig, wie abgeordnetenwatch.de vergangene Woche enthüllte. Gegen unsere Berichterstattung geht der stellvertretende Fraktionsvorsitzende nun mit juristischen Mitteln vor. Über einen Anwalt hat Fuchs uns abmahnen lassen.

von Martin Reyher, 16.01.2013
Michael Fuchs (2014)

Der Fuchs-Anwalt: Beauftragt hat Michael Fuchs die Berliner Rechtsanwaltskanzlei Schertz Bergmann, die in der Vergangenheit zahlreiche Prominente, darunter Thilo Sarrazin, Karsten Speck und Nadja Auermann, vertreten hat.

Darum geht es: Der CDU-Fraktionsvize geht gegen unseren Artikel "Michael Fuchs kassierte jahrelang Geld von nebulöser Beratungsfirma" vom vergangenen Mittwoch vor, in dem wir seine Nebentätigkeiten bei einer von britischen Geheimdienstmitarbeitern gegründeten Beratungsfirma aufgedeckt hatten. Dass Fuchs zwischen 2008 und 2012 bei "Hakluyt & Company" tätig war, wusste die Öffentlichkeit bis letzte Woche nicht.

Weswegen wird abgeordnetenwatch.de von Michael Fuchs abgemahnt? In einem Fax, das uns am späten Freitagnachmittag nach Büroschluss zuging, fordert uns der Fuchs-Anwalt auf, wegen einer "unwahren Tatsachenbehauptung" in dem erwähnten Artikel bis spätestens 16. Januar eine Unterlassungserklärung abzugeben. Die Abmahnung bezieht sich auf eine kurze Passage, in der es um unvollständige Angaben von Michael Fuchs gegenüber der Bundestagsverwaltung zu seinem Auftraggeber "Hakluyt & Company" geht. Er habe "zu keinem Zeitpunkt durch unvollständige Angaben die Herkunft der angesprochenen Nebeneinkünfte verschleiern" wollen, teilte Fuchs über seinen Anwalt mit. Der Koblenzer Bundestagsabgeordnete hat außerdem die Veröffentlichung einer Gegendarstellung erwirkt. Nach Rücksprache mit unseren Anwälten hat abgeordnetenwatch.de die Unterlassungserklärung – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - abgegeben, weil der betroffene Satz im Verhältnis zu dem Gesamtkomplex so unbedeutend ist, dass wir dafür kein Prozessrisiko eingehen möchten.

"Hakluyt & Company" - eine höchst seriöse "Spionagefirma"? Die Londoner Firma ist äußerst öffentlichkeitsscheu, was allerdings wenig verwundert. Denn einer ihrer Gründer, der frühere MI6-Agent Christopher James, umschrieb die Aktivitäten von "Hakluyt & Company" einmal so: "Die Idee war, das für die Industrie zu tun, was wir früher für die Regierung taten." Die Organisation Lobbycontrol nennt Hakluyt deswegen eine "Spionagefirma". Bekannt ist ein Fall aus den Neunzigern, als "Hakluyt & Company" im Auftrag von Shell einen ehemaligen Geheimagenten bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace eingeschleust haben soll - getarnt als linker Aktivist. Vergangenes Jahr tauchte "Hakluyt & Company" im Zusammenhang mit dem in China ermordeten britischen Geschäftsmann Neil Heywood in den Medien auf. Heywood war Mitarbeiter von "Hakluyt & Company" und soll nach Zeitungsberichten einen chinesischen Spitzenpolitiker im Auftrag des britischen Geheimdienstes MI6 ausspioniert haben. Hakluyt & Company verfügt offenbar über ein gutes Netz an Zuträgern. In der Lobbypedia heißt es:

"Nach einem Bericht der Financial Times von 2000 habe die Firma damals 100 „Associates“ in London und global gehabt. Dabei könne es sich um Journalisten handeln, Diplomatengattinnen, hochrangige Unternehmensvertreter, ehemalige Diplomaten oder Berater. Für einzelne Aufträge würden bis zu fünf dieser Associates nach London gerufen, gebrieft und dann mit unterschiedlichen Fragen zur Informationsbeschaffung losgeschickt. "

Michael Fuchs hält "Hakluyt & Company" für eine "höchst seriöse, höchst honorige Firma", in deren Gremien "so Leute wie der BDI-Präsident sitzen".

Rätselhafte "Platzprobleme" in einer Exceltabelle: Warum machte Michael Fuchs bis auf eine Ausnahme gegenüber der Bundestagsverwaltung immer unvollständige Angaben zum Namen seines Auftraggebers? Hierfür hat der CDU-Politiker eine kuriose Begründung: In den Excellisten sei der komplette Name "Hakluyt & Company" aufgrund von "Platzgründen" abgekürzt worden. Fehlender Platz in einer Excelliste - das klingt in etwa so schlüssig wie die Aussage "das Internet ist voll". [Nachtrag 17.1.2013: Auch manche Internetuser finden das offenbar nicht so überzeugend.]

Fragen, die Michael Fuchs jetzt beantworten muss: Was hat ein deutscher Bundestagsabgeordneter mit der verschwiegenen, von Geheimagenten gegründeten Londoner Firma "Hakluyt & Company zu schaffen? War Fuchs dort lediglich als Honorarredner tätig, wie er behauptet? Dass "Hakluyt & Company" öffentliche Vorträge abhält, halten Experten für abwegig. Darum drängt sich die Frage auf: War Fuchs für die Londoner Beratungsfirma beratend tätig? Falls ja: Beriet er "Hakluyt & Company" oder deren Klienten in Fragen, die in Zusammenhang mit seiner Abgeordnetentätigkeit stehen? Als stellvertretendes Mitglied des Wirtschafts- sowie des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestags, aber auch als stellvertretender Fraktionsvorsitzender von CDU/CSU, verfügt Fuchs über Zugang zu sensiblen Informationen. Wann hielt Michael Fuchs die dreizehn Vorträge bei Hakluyt & Company? Was waren die Themen? Wie hoch waren die Honorare? Wer war anwesend? Bislang war der Abgeordnete nicht in der Lage, abgeordnetenwatch.de eine komplette Aufstellung zukommen zu lassen. abgeordnetenwatch.de fordert Michael Fuchs auf über die Details seiner Nebentätigkeiten bei "Hakluyt & Company" endlich Klarheit zu schaffen.

 

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