Hat Michael Fuchs im TV die Unwahrheit gesagt?

Die Angaben über seinen Auftraggeber seien immer korrekt gewesen - das habe die Bundestagsverwaltung zugegeben, behauptet der Bundestagsabgeordnete Michael Fuchs. Tatsächlich? Das vermeintliche Entlastungsschreiben zu seiner langjährigen Tätigkeit bei einem privaten Nachrichtendienst bringt den CDU-Fraktionsvize jetzt in Erklärungsnot. Hat Michael Fuchs im TV die Unwahrheit gesagt?

von Martin Reyher, 18.01.2013
Michael Fuchs (2014)

"Spionagefirma", "Privatgeheimdienst", "Altersruhesitz für Ex-MI6-Offiziere": Solche und andere schrille Etiketten haften der Londoner Firma Hakluyt & Company an, einem privaten Nachrichtendienst, bei dem der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Fuchs jahrelang tätig war. Das Problem: Die Öffentlichkeit wusste davon nichts. Fuchs besteht darauf, dass er "zu keinem Zeitpunkt durch unvollständige Angaben die Herkunft der angesprochenen Nebeneinkünfte verschleiern" wollte, wie er abgeordnetenwatch.de über einen Anwalt mitteilen ließ.

Inzwischen stellt sich allerdings die Frage, ob bei der Meldung seiner delikaten Nebentätigkeit tatsächlich alles in Ordnung war. Am 10. Januar präsentierte Michael Fuchs im SWR-Fernsehen ein Schreiben der Bundestagsverwaltung, das er als Bestätigung für seine Position auslegte. Fuchs sagt in dem Beitrag:

Die Bundestagsverwaltung gibt hier zu, dass ich immer das Richtige angegeben habe. Also ich kann Ihnen nur sagen: Das ist schon eine kapitale Schweinerei.

Die Bundestagsverwaltung gibt zu...? Man ist geneigt der Parlamentsverwaltung eine Abmahnung gegen diese Behauptung zu empfehlen. Denn beim Lesen des Schriftstücks, das abgeordnetenwatch.de vorliegt, stellt sich eine ganz andere Frage: Hat der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU Deutschland öffentlich die Unwahrheit gesagt? Davon, dass Fuchs in Bezug auf seine Tätigkeit bei Hakluyt & Company "immer das Richtige" angegeben hat, ist in dem zweiseitigen Schreiben des Ministerialdirigenten an keiner Stelle die Rede. Lediglich einmal heißt es, Fuchs habe "zu Beginn der 17. Wahlperiode" "einen Vortrag unter der Bezeichnung Hakluyt & Co., London angezeigt". "Immer das Richtige angegeben..."? Machen Sie sich am besten selbst ein Bild - wir veröffentlichen hier das Schriftstück als pdf, auf das Fuchs sich beruft.

[Nachtrag vom 22.1.2013: Der Bundestagsverwaltung fehlen die Worte. Ein Sprecher schrieb uns auf die Frage, wie die Parlamentsverwaltung die Behauptung von Michael Fuchs bewerte: "Die Bundestagsverwaltung nimmt grundsätzlich keine öffentlichen Bewertungen von Äußerungen von Mitgliedern des Bundestages vor. Im Übrigen wird der von Ihnen angesprochene Sachverhalt, soweit er sich noch rekonstruieren lässt, in dem Ihnen bekannten Schreiben der Bundestagsverwaltung erschöpfend dargestellt."]

Das Schreiben der Parlamentsverwaltung ist auch aus einem anderen Grund interessant. Denn es gibt Auskunft darüber, in welcher Form der CDU-Politiker Angaben machte, als er 2008 erstmals für die umstrittene Beratungsfirma tätig wurde. Üblicherweise tragen Bundestagsabgeordnete ihre Nebentätigkeiten beim ersten Mal in ein mehrseitiges Formular ein und reichen dieses unterschrieben beim "Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages" ein. Der Bundesadler, der auf dem Seitenkopf abgedruckt ist, verleiht dem Dokument etwas offizielles, der gefettete Hinweis "Vertraulich" deutet auf sensible Inhalte hin:

 

Überging Michael Fuchs im Jahr 2008 dieses formale Procedere? Statt seine Tätigkeit bei der von Geheimagenten gegründeten Firma "Hakluyt & Company" in das Bundestags-Formular einzutragen und dem Parlamentspräsidenten unterschrieben zukommen zu lassen, wählte Fuchs die formlose Variante: Er machte seine Angaben in einer einfachen Excel-Tabelle, in die er die Worte "Hakluyt London" eintrug. So steht es in besagtem, an Fuchs adressierten Schreiben der Bundestagsverwaltung vom 10. Januar:

Eine entsprechende Vortragstätigkeit haben Sie erstmals im Laufe der 16. Wahlperiode für August 2008 im Rahmen einer eingereichten Excel-Liste unter der Rubrik "Einmalige Vortragsverpflichtungen" und der Bezeichnung "Hakluyt London" einschließlich der entsprechenden Einkünfte gemeldet.

Nicht genug damit, dass Fuchs damals nicht den formalen Weg bei der Angabe der Nebentätigkeit nahm. Auch seine unvollständige Angabe "Hakluyt" statt "Hakluyt & Company" ist äußerst problematisch da alles andere als eindeutig: Denn in London gibt es eine harmlose Geographiker-Gesellschaft namens "Hakluyt Society". Genau diese Hakluyt Society stand - warum ist ungeklärt - über Jahre hinweg als Fuchs' Auftraggeber auf der Bundestagshomepage - und das war falsch, wie abgeordnetenwatch.de vergangenen Mittwoch aufdeckte. Über seinen Anwalt lässt Michael Fuchs erklären, er habe mit der Falschangabe nichts zu tun:

Soweit die Bundestagsverwaltung aus diesen Angaben [....] Hakluyt & Company gemacht hat, geht dies nicht auf unseren Mandanten zurück. [...] Mittlerweile hat die Bundestagsverwaltung den gesamten Sachverhalt gegenüber unserem Mandanten schriftlich bestätigt und eingeräumt, dass die Veröffentlichung der Vorträge unter "Hakluyt Society" nicht auf unseren Mandanten zurückgeht.

Offenbar beruft sich der Anwalt hier ebenfalls auf das erwähnte Schreiben der Bundestagsverwaltung vom 10. Januar. In diesem Fall würden die Worte des Ministerialdirigenten recht eigenwillig interpretiert. An zwei Stellen schreibt dieser lediglich, es sei "nicht auszuschließen", dass die Schuld für die fehlerhafte Veröffentlichung bei der Bundestagsverwaltung liegt. Im Klartext: Kann sein, muss aber nicht. Ob die Falschangabe auf Fuchs zurückgeht oder nicht, wird zumindest in diesem Schreiben gar nicht erörtert. Was bleibt ist das Bild eines Bundestagsabgeordneten,

  • der die erstmalige Angabe über eine delikate Nebentätigkeit laut Bundestagsverwaltung in einer formlosen Excelliste machte,
  • der im Fernsehen Behauptungen aufstellt, die sich - vorsichtig ausgedrückt - nicht belegen lassen,
  • der "Platzprobleme" in Exceltabellen hat,
  • der gegen einen Bericht, durch den die jahrelang unentdeckt gebliebene Nebentätigkeit aufflog, juristisch vorgeht.

Möge jeder selbst entscheiden.
 

Anmerkung 15:15 Uhr: Die Bundestagsverwaltung war bislang trotz zweifacher telefonischer Nachfrage nicht in der Lage, folgende Mailanfrage vom 16. Januar, 10:31 Uhr zu beantworten:

Sehr geehrte Damen und Herren, in einem Schreiben vom 10. Januar 2013 teilte Ministerialdirigent F. S. dem Abgeordneten Michael Fuchs mit, dass dieser "erstmals im Laufe der 16. Wahlperiode für August 2008 im Rahmen einer eingereichten Excel-Liste unter der Rubrik "Einmalige Vortragsverpflichtungen" und der Bezeichnung "Hakluyt London" .... gemeldet" habe. Dass Herr Fuchs nach dieser Darstellung seine allererste Meldung über die Vortragstätigkeit bei "Hakluyt & Company" in einer formlosen Exceltabelle machte, erstaunt mich etwas. Ich war davon ausgegangen, dass in einer Wahlperiode die erste Angabe zu einem Auftraggeber in dem standardisierten Fragebogen zu den Verhaltensregeln erfolgen muss. Ist diese Annahme zutreffend? Für eine zeitnahe Antwort wäre ich Ihnen dankbar.

Nachtrag 22.1.2013: Die Bundestagsverwaltung hat heute endlich - nach fast einer Woche - endlich geantwortet: Die Anzeigen zu Beginn der Wahlperiode sollen auf dem von Ihnen erwähnten Fragebogen erfolgen, während dies für spätere Änderungen und Ergänzungen während der Wahlperiode nicht erforderlich ist (vgl. Nr. 1 der Ausführungsbestimmungen zu den Verhaltensregeln). Die von Ihnen geschilderte Vortragstätigkeit war, wie sich aus der Veröffentlichung ergibt, ein Vorgang aus dem Jahre 2008. Er betraf also eine Ergänzung im Verlaufe der 16. Wahlperiode. Denn diese begann bereits am 18. Oktober 2005. Die Bundestagsverwaltung nimmt grundsätzlich keine öffentlichen Bewertungen von Äußerungen von Mitgliedern des Bundestages vor. Im Übrigen wird der von Ihnen angesprochene Sachverhalt, soweit er sich noch rekonstruieren lässt, in dem Ihnen bekannten Schreiben der Bundestagsverwaltung erschöpfend dargestellt. Mit freundlichen Grüßen (...) Michael Fuchs blieb uns bislang eine Antwort schuldig auf folgende Mailanfrage von gestern, 15:43 Uhr:

Sehr geehrter Herr Fuchs, Am 9. Januar 2013 teilten Sie mir mit (s.u.): "Gegenüber der Verwaltung des Deutschen Bundestages habe ich meine Tätigkeit bei der Firma „Hakluyt & Co., London“ ordnungsgemäß zu Beginn der 17. Legislaturperiode angegeben." Ich möchte gerne von Ihnen wissen, ob Sie gegenüber der Verwaltung des Deutschen Bundestages Ihre Tätigkeit bei der Firma „Hakluyt & Co., London“ auch in der 16. Legislaturperiode ordnungsgemäß angegeben haben (insbesondere in Bezug auf Ihren Vortrag im August 2008)? Aus redaktionellen Gründen bitte ich um eine Antwort bis zum morgigen Freitag, 11:30 Uhr.

Update I: Auch Lobbycontrol berichtet: Unions-Fraktionsvize Fuchs machte unvollständige Angaben

Update II: Die taz berichtet online ("Parlaments-007 in unklarer Mission") über "einen weiteren dubiosen Fall", in den Michael Fuchs verwickelt sein soll:

Nach Recherchen der taz hatte Fuchs darüber hinaus auch einen Vortrag für die „HDV Kanzlei Elke Herrán del Val“ gehalten. Honorar: über 7.000 Euro. Hinter dem beeindruckend klingenden Namen verbirgt sich eine Steuerberaterin in München. Das Büro von „HDV Kanzlei Elke Herrán del Val“ befindet sich in einem Gewerbehof in Moosach. Warum eine Steuerberaterin einen Bundestagsabgeordneten anreisen lässt und in der Lage ist, ein üppiges Vortragshonorar zu zahlen, ist nicht in Erfahrung zu bringen. Sie wollte sich zu Fragen zu dem „Vortrag“ nicht äußern. Auch Fuchs sagt zu Fragen nach dem genauen Datum, dem Ort und Thema seines Vortrages: „Siehe Homepage des Deutschen Bundestages.“ Doch dort stehen keine weiteren Informationen. Wieso möchte Fuchs nicht über seine Vorträge reden? Er hat als Bundestagsabgeordneter einen privilegierten Zugang zu Informationen und er ist stellvertretendes Mitglied des Verteidigungsausschusses des Bundestages.

Update III: Die Zeitung Junge Welt berichtet unter der treffenden Überschrift "Kein Platz für die Wahrheit", die sich auf Michael Fuchs' Platzprobleme in der Excelliste bezieht.

Update IV: Nach abgeordnetenwatch.de ist jetzt auch netzpolitik.org von Michael Fuchs abgemahnt worden:

Das verschwiegene Unternehmen verdient sein Geld wohl hauptsächlich durch Informationsbeschaffung. Wir haben darüber berichtet, da Michael Fuchs abgeordnetenwatch.de abgemahnt hat, weil diese bei Recherchen herausfanden, dass es falsche Angaben zu der Tätigkeit bei den, mit Verlaub lächerlichen, Offenlegungspflichten des Deutschen Bundestags gab. Die Erklärung von Michael Fuchs war aber vor allem das Lustigste, was wir seit langem als Politikerausrede gehört haben: Platzprobleme bei einer Excel-Tabelle. Dabei konnten wir nicht ahnen, dass Michael Fuchs einen weiteren Artikel zum Thema wünscht. Freitag Nachmittag nach 16 Uhr flatterten in getrennten Mails eine Unterlassungserklärung und eine Gegendarstellung von seinen Anwälten rein (Diese vertreten auch Thilo Sarrazin). Wir haben tatsächlich einen kleinen Fehler gemacht, den Michael Fuchs jetzt rechtlich wegen falscher Tatsachenbehauptung angeht. Das ist sein gutes Recht und deshalb wehren wir uns nicht rechtlich, das tut uns sogar leid, falls wir damit bei unseren Lesern einen falschen Eindruck über die Nebentätigkeiten von Herrn Dr. Fuchs erweckt haben sollten. Aber wo wir jetzt schon dabei sind…

Update V: Telepolis berichtet ("Ein Quantum Hakluyt"):

Während der auf seine Rufpflege bedachte Fuchs offenbar viel Zeit auf das Einschüchtern von Netzaktivisten legt, entfaltet er noch immer keine Energien, den Wählern zu erklären, was denn ein deutscher Spitzenpolitiker auf der Payroll einer Firma zu suchen hat, die von Ex-Schlapphüten einer fremden ausländischen Macht hochgezogen wurde. Die Macher von abgeordnetenwatch.de, die bisher noch nie mit einer Abmahnung gegängelt wurden, lassen sich nicht einschüchtern, sondern haben nachgelegt. Dort zitiert man aus einem Schreiben der Bundestagsverwaltung: "Eine entsprechende Vortragstätigkeit haben Sie erstmals im Laufe der 16. Wahlperiode für August 2008 im Rahmen einer eingereichten Excel-Liste unter der Rubrik “Einmalige Vortragsverpflichtungen” und der Bezeichnung 'Hakluyt London' einschließlich der entsprechenden Einkünfte gemeldet." Würde man dieser Darstellung folgen, dann hätte Fuchs also die Firma mindestens einmal auch ohne "Co" angegeben.

Update VI: Der Journalist Daniel Bröckerhoff, der den ZAPP-Beitrag über Fuchs gemacht hat, schreibt in seinem Blog ("Die Informationspolitik des MdB Fuchs"):

Stattdessen beharrte er sogar noch am Tag nach Veröffentlichung der Stern- und abgeordnetenwatch.de-Artikel im SWR-Fernsehen darauf, dass er alles richtig gemacht habe. Das würde ihm sogar die Bundestagsverwaltung bescheinigen. Ein Behauptung, die nachweislich falsch ist, wenn man sich das Schreiben der Verwaltung an Herrn Fuchs ansieht. Dort steht deutlich, dass Herr Fuchs nur einmal eine Nebentätigkeit bei “Haklyut & Co” gemeldet habe und ansonsten den Namen der Firma unvollständig angegeben habe. (...) Fuchs (und sogar sein Anwalt) beharrten trotzdem weiter darauf, dass der Fehler nicht beim Abgeordneten und seinen Mitarbeitern läge. Warum sie so darauf bestehen? Ich weiß es nicht. Denn ein Mitverschulden durch nicht ordnungsgemäß gemeldete Nebentätigkeiten ist in meinen Augen kaum abzustreiten.

Lesen Sie auch: "Michael Fuchs kassierte jahrelang Geld von nebulöser Beratungsfirma"

Recherchen wie die über die Nebentätigkeiten von Michael Fuchs für die Londoner Beratungsfirma "Hakluyt & Company" sind aufwendig und kosten Geld. Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende oder als Fördermitglied.

 

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