Der Major und die Ausweispflicht für Fragesteller

Im Internet lauert eine Gefahr, findet ein früherer Abgeordneter, und das ist der Bürger: "Es ist also wünschenswert, dass derjenige, der sich einloggen will, um an der elektronischen Demokratie teilzuhaben, legitimiert sein muss und sich ausweisen kann", sagt Gerd Höfer auch im Zusammenhang mit abgeordnetenwatch.de. Verständlich, dass ein Abgeordneter wissen will, wer ihm eine Frage stellt. Zum Beispiel zu seiner Tätigkeit im „Förderkreis Deutsches Heer“ und dessen Mitgliedsfirmen aus der Rüstungsindustrie.

von Martin Reyher, 07.09.2010

Als Experte für E-Democracy war der Bundestagsabgeordnete Gerd Höfer eigentlich nie aufgefallen. Vielmehr befasste sich der Major der Reserve zeitlebens mit dem Thema Sicherheitspolitik, beinahe wäre er Wehrbeauftragter geworden. Und so verwundert es ein wenig, dass Höfer bei der Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates im Januar 2009 ausgerechnet zum Thema „digitale Demokratie“ das Wort ergriff und seine Sorgen vortrug.

Wenn, so der Abgeordnete in seinem Vortrag (pdf), heutzutage fast jeder einen Internetzugang habe, dürfe es nicht passieren, „dass die Abgeordneten aktiv oder passiv mit E-Mails überschüttet werden.“ Höfer schilderte den Delegierten aus ganz Europa auch gleich eine Anekdote aus seinen Büroalltag:

Ich gebe ein Beispiel aus der Bundesrepublik Deutschland: Dort gibt es einen sogenannten Abgeordnetenwatch, wo Leute anonym die Abgeordneten befragen und unter ihre Frage schreiben: „Auf die Antwort kommt es an, ob Sie für uns wählbar sind oder nicht.“ Ich erfahre dabei nicht, wer der Absender ist. Es ist also wünschenswert, dass derjenige, der sich einloggen will, um an der elektronischen Demokratie teilzuhaben, legitimiert sein muss und sich ausweisen kann.

Soso. Einen Ausweis würde Herr Höfer gerne sehen, bevor er eine Bürgerfrage beantwortet. Wenn am 1. November 2010 der neue elektronische Perso mit digitalem Chip eingeführt wird, ist der Politiker aus Hessen seiner Vision schon mal ein gutes Stück näher gekommen.

Höfers Sorge, er könne ohne Ausweispflicht im Netz die Kontrolle über Bürgerfragen verlieren, ist aus seiner Sicht durchaus berechtigt. Kurz vor der Bundestagswahl im September 2009 machte Höfer Schlagzeilen als “Abgeordneter, der Rüstungskontakte verschweigt“. Seinerzeit war er Präsidiumsmitglied des „Förderkreis Deutsches Heer“, hatte dies – wie vier andere Abgeordnete auch – dem Bundestagspräsidenten jedoch nicht mitgeteilt. Höfers Begründung: Ehrenamtliche Tätigkeiten seien nicht meldepflichtig. Diese Auffassung stellte sich allerdings als falsch heraus. Und so geriet ins Blickfeld der Öffentlichkeit, wo Höfer, der damals auch Mitglied des Verteidigungsausschusses war, da eigentlich im Präsidium sitzt: In einem Verein, der vom who is who der Rüstungsindustrie, sog. „Mitgliedsfirmen“, unterstützt wird: EADS, Heckler & Koch, Krauss-Maffei, Rheinmetall Waffen und Munition GmbH und einigen mehr.

Verständlich, dass man als Abgeordneter bei solch einer sensiblen Freizeitbeschäftigung gerne wissen möchte, wer einem öffentlich eine Frage stellt. Aber Höfer hatte Glück: Anders als z.B. von seinem Fraktionskollegen Johannes Kahrs wollte kein Bürger etwas über die Mitgliedschaft im Präsidium des „Förderkreis Deutsches Heer“ wissen, womöglich, weil sich Höfer auf den letzten Metern seiner Abgeordnetenkarriere befand. Zur Bundestagswahl, die wenige Wochen nach der Enthüllung stattfand, kandidierte er nicht mehr.

Den Zuhörern seines Vortrags über die „digitale Demokratie“ im Januar 2009 verschwieg Höfer übrigens, mit wie vielen Bürgerfragen via abgeordnetenwatch.de er in den vorangegangenen zwei Jahren überschüttet wurde. Es waren 16 - in Worten: sechzehn. Beantwortet hat Höfer zwei.

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