Bald höhere Offenlegungsgrenzen bei Nebeneinkünften? (Update)

Gibt es bald verbesserte Transparenzregeln bei Nebeneinkünften von Abgeordneten? Die SPD hat einen überraschenden Vorstoß unternommen und reagiert damit möglicherweise auch auf die anhaltende Kritik an den Nebentätigkeiten des ehemaligen Finanzministers Peer Steinbrück. Zwei Mitstreiter haben die Sozialdemokraten auch schon gefunden.

von Martin Reyher, 15.10.2010

Gibt es bald mehr Klarheit bei der Veröffentlichung von Nebeneinkünften? Völlig unverhofft ist nun Bewegung in die Sache gekommen.

Am Montag dieser Woche erhielt Bundestagspräsident Norbert Lammert einen Brief vom Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann (Foto). In

dem Schreiben, das abgeordnetenwatch.de vorliegt, regt Oppermann eine Verbesserung der Transparenzregeln für Nebeneinkünfte an. Das Problem bislang: Ob ein Bundestagsabgeordneter für eine Nebentätigkeit 20.000 oder 200.000 Euro erhält, muss er nicht öffentlich machen. Es reicht die Auskunft, dass seine Einkünfte bei "mindestens 7.000 Euro" liegen. Dies möchte die SPD nun ändern. In Oppermanns Brief an Bundestagspräsident Lammert heißt es:

Möglicherweise reagiert die SPD mit diesem Vorstoß auch auf die anhaltende Kritik an den Nebeneinkünften von Ex-Finanzminister Peer Steinbrück. Zuletzt war dieser in der ARD-Sendung Beckmann erneut mit abgeordnetenwatch.de-Recherchen zu seinen zahlreichen Honorarvorträgen konfrontiert worden. Oppermann verweist nun gegenüber dem Bundestagspräsidenten explizit darauf, dass

schon für einen einfachen Vortrag mitunter fünfstellige Beträge gezahlt werden

und begründet so u.a. seinen Vorschlag zur Einführung neuer Veröffentlichungsstufen.

Die Höhe der Nebeneinkünfte aus Vorträgen war einer der Kritikpunkte in der Berichterstattung über den Fall Steinbrück gewesen. Der ehemalige Finanzminister hatte in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt 29 Vorträge gehalten. Gegenüber dem Bundestagspräsidenten gab Steinbrück an, dass er für 28 seiner Vorträge "mindestens 7.000 Euro" und für einen Vortrag "mindestens 3.500 Euro" erhielt, also zusammen mindestens 199.500 Euro. Wie hoch die Einkünfte jedoch genau sind, lässt sich aufgrund der derzeigtigen Veröffentlichungsregeln nicht ermitteln. Diesen Misstand will die SPD nun, zumindest teilweise, angehen. Denn, so Oppermann in seinem Brief:

Die Einführung von zwei weiteren Stufen - 15.000 und 25.000 Euro - könnte zumindest für etwas mehr Klarheit sorgen. Konkret würde Oppermanns Vorschlag bedeuten, dass ein Abgeordneter, der für einen Vortrag oder einen Aufsichtsratsposten 30.000 Euro erhält, Einkünfte in Höhe von mindestens 25.000 Euro veröffentlichen müsste statt wie bislang 7.000 Euro. So ließe sich etwas genauer ermitteln, wie hoch die Bezüge unserer Bundestagsabgeordneten aus Nebeneinkünften sind. Außerdem ergäben sich Rückschlüsse darüber, ob bei einem Abgeordneten die Ausübung seines Bundestagsmandats tatsächlich im Mittelpunkt steht, wie es das Abgeordnetengesetz verlangt. Darauf weist auch Oppermann in seinem Brief an Bundestagspräsident Lammert hin:

Heute Vormittag haben wir die Parlamentarischen Geschäftsführer von CDU/CSU, FDP, Grüne und Linke angeschrieben und um Au

skunft gebeten, ob ihre Fraktion den SPD-Vorschlag unterstützt. Falls dies nicht der Fall sei, baten wir um eine kurze Begründung. Als erstes meldete sich am Abend Volker Beck (Foto) von den Grünen zurück. Er begrüßt den SPD-Vorschlag, verlangt aber weitergehende Transparenzregeln. Beck schreibt:
Alle Forderungen nach mehr Transparenz bei den Verhaltensregeln verdienen meine Unterstützung. Hierzu gehört insbesondere auch die die Einführung weiterer Einkommensstufen. Als Stufen sind die von Thomas Oppermann genannten denkbar – besser wäre jedoch eine noch weitere Aufspreizung in folgende Stufen: Stufe 3: 7.000 € bis 15.000 €, Stufe 4: 15.000 € bis 25.000 €, Stufe 5: 25.000 € bis 50.000 €, Stufe 6: 50.000 € bis 100.000 €, Stufe 7: ab 100.000 €.

Die Antworten der übrigen Parlamentarischen Geschäftsführer werden wir an dieser Stelle posten. Aus Sicht von abgeordnetenwatch.de ist der jetzige SPD-Vorstoß ein Schritt in die richtige Richtung. Vollkommene Transparenz gäbe es allerdings erst dann, wenn Abgeordnete ihre Nebeneinkünfte bis auf den letzten Cent veröffentlichen müssten.

UPDATE 20.10.2010: Antwort des Parlamentarischen Geschäftsführers der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, von heute:

Die FDP-Fraktion hat nie den berufslosen Abgeordneten als Idealbild gesehen. Wir begrüßen es, dass Abgeordnete sich nicht von der Politik abhängig machen und einen Beruf weiter ausüben. So können sie am eigenen Leibe die Auswirkungen der gesetzgeberischen Arbeit erleben. Nicht der beruflich tätige, sondern der mangels Berufsausbildung auf das politische Mandat angewiesene Abgeordnete ist die größte Gefahr für die Unabhängigkeit der zu treffenden Entscheidungen. Die Höhe eines Honorars für eine Rede sagt wenig darüber aus, ob jemand beeinflusst wird, aber viel darüber, welchen Machtwert er hat. Deshalb erhalten bekannte ehemalige Angehörige der Regierung bemerkenswerte Honorare. Meine Fraktion sieht die Vorschläge des Kollegen Oppermann zurückhaltend, wird sich aber einer gemeinsamen Lösung, so sie gefunden wird, nicht verschließen.

UPDATE 02.11.2010: Antwort von Dagmar Enkelmann, Parlamentarische Geschäftsführerin der Linken im Bundestag:

Selbstverständlich setzt sich DIE LINKE. für eine Erweiterung der Transparenzregeln in Bezug auf die Nebeneinkünfte von Abgeordneten ein. Ich habe bereits in dem zuständigen Gremium (Rechtsstellungskommission des Ältestenrates), in dem noch vor der Sommerpause die Anpassung der Ausführungsbestimmungen zu den Verhaltensregeln erörtert wurde, eine Erhöhung der Stufen eingefordert. Mein Einwand, dass für die Beurteilung möglicher Interessenverknüpfungen vor allem die jeweilige Höhe der Einkommensstufen entscheidend sei, wurde von den Kollegen der anderen Oppositionsfraktionen damals unterstützt. Insofern hatte DIE LINKE. - zusammen mit SPD und den GRÜNEN - ergebnislos auf eine sofortige Erweiterung der bisherigen Einkommensstufen gedrängt. Dieses Ansinnen verfolge ich für meine Fraktion in den anstehenden Diskussionen weiter. Ich strebe dabei zusätzliche Stufen in Orientierung an den Beträgen der monatlichen und jährlichen Abgeordnetenentschädigung an, weil in Relation zu diesen Größen mögliche bedeutsame Interessenverknüpfungen für die Bevölkerung besser einschätzbar werden. Wirklich transparent wäre zwar - dies hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zu den Veröffentlichungspflichten klargemacht und für verfassungsgemäß gehalten - eine Veröffentlichung der Nebeneinkünfte in ihrer jeweiligen genauen Höhe. Da es hierfür jedoch in naher Zukunft ganz offensichtlich keine Mehrheiten geben wird, fordert DIE LINKE. in einem nächsten Schritt die Veröffentlichung der Einkünfte in mindestens folgenden 5 Stufen: Stufe 1: 1000 - 4.000 Euro Stufe 2: 4.001- 8.000 Euro Stufe 3: 8.001 -32.000 Euro Stufe 4: 32.001- 96.000 Euro Stufe 5: über 96.000 Euro Aus meiner Sicht ist gerade die Kenntnis besonders hoher Nebeneinkünfte für die Beurteilung von möglichen Interessenverknüpfungen wichtig. Wie mein Kollege Oppermann richtig darstellt, erhalten Abgeordnete teilweise für einfache Vorträge schon Beträge in fünfstelliger Höhe. Des Weiteren ist jedoch zu beachten, dass die Stufen nicht nur monatliche, sondern auch jährliche Beträge abbilden sollen. In einem Jahr werden die von einigen Abgeordneten erhaltenen Beträge- dies lassen die öffentlich gewordenen Fälle vermuten - aber erheblich über der von ihm vorgeschlagenen letzten Stufe von 25.000 Euro liegen. Insofern halte ich den Vorschlag meines Kollegen Oppermann für verbesserungswürdig. Ungeachtet der vorigen Ausführungen wird sich sicher eine Einigung aller Fraktionen herstellen lassen. Es ist aus meiner Sicht unumgänglich, diesen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Transparenz und Stärkung der Demokratie zu gehen.

UPDATE 3.11.2010: Antwort von Peter Altmaier, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion:

Vorschläge sind uns offiziell nicht bekannt. Bei der Einführung weiterer Stufen der Veröffentlichung ist – auch unter Berücksichtigung des Bruttozuflussprinzips – zu prüfen, in wie weit hierdurch größerer Erkenntnisgewinn bei der Frage möglicher Interessenkollisionen erzielt werden kann.

 

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