"Politshow", "Schaumschlägerei" oder: Der Gedächtnisverlust der SPD

Vor dreieinhalb Jahren empörten sich die Sozialdemokraten noch über "populistische Aktionen" und "propagandistische Schaumschlägerei" des politischen Gegners. Nun greifen sie selbst zu ähnlichen Methoden.

von Martin Reyher, 25.10.2010

Der Koalition droht mal wieder Ungemach. Dieses Mal von der SPD, die mit einem listigen Plan einen Keil zwischen CDU, FDP und CSU treiben will:

"Die SPD wird ihre Vorschläge [zur Rente mit 67] ins Plenum des Bundestags einbringen und zur Abstimmung stellen. Die CSU hat dann die Gelegenheit, entsprechend den Vorstellungen von Herrn Seehofer abzustimmen", erklärte Joachim Poß, Interims-Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, gestern im Gespräch mit der Passauer Neuen Presse.

Dazu muss man wissen: Herr Seehofer ist nicht eben ein Freund der Rente mit 67, im Gegensatz zur CDU und FDP. Und deshalb sehen die Sozialdemokraten, die von ihrer eigenen Erfindung inzwischen auch nicht mehr voll und ganz überzeugt sind, im CSU-Chef einen Verbündeten.

Natürlich wissen sie bei der SPD, dass eine kleine Regierungspartei nicht so einfach mit der Opposition gegen die eigenen Koalitionspartner stimmen kann, insofern ist ein solcher Antrag nicht ohne Hinterlist. Aber die SPD ist natürlich auch leicht zu durchschauen mit ihrem Vorhaben:

Denen geht es weniger um Inhalte.
Sie ist nicht an einer guten Lösung sondern an propagandistischer Schaumschlägerei interessiert.
Was sie betreibt, ist ein Schauspiel und keine Politik.
Eindeutig ist aber auch, dass es bei dem Antrag … um eine reine Politshow ging.

Das Problem bei der Sache: Diese Aussagen stammen nicht etwa von verärgerten CSU-Politikern, die den Plan der SPD durchschaut haben. Es sind Äußerungen von SPD-Abgeordneten, die vor dreieinhalb Jahren selbst Opfer eines ähnlichen Manövers wurden. Damals hatte die Linkspartei einen Antrag zur Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns gestellt, dem die SPD trotz inhaltlicher Übereinstimmung nicht zustimmen mochte (... zum Abstimmungsverhalten), denn sie war seinerzeit Juniorpartner in einer Großen Koalition und fühlte sich an den Koalitionsvertrag gebunden. Mit entsprechender Empörung über den durchsichtigen Plan der Linkspartei reagierten die SPD-Abgeordneten damals via abgeordnetenwatch.de:

Dass die Fraktion der Nachfolgeorganisation der SED in der letzten Woche diesen Antrag zur Abstimmung stellte, zeigt nur eins: Sie ist nicht an einer guten Lösung sondern an propagandistischer Schaumschlägerei interessiert. (Karl Diller)
Einige bei der Linksfraktion beschäftigen sich ausschließlich damit, die SPD zu jagen. (Anton Schaaf)
Das Thema "Mindestlohn" ist zu wichtig, als dass auf dem Rücken der Betroffenen nur populistische Aktionen und politische Schaukämpfe – wie sie die Linkspartei mit ihrem Antrag im Bundestag inszeniert hat – ausgetragen werden dürfen. (Michael Hartmann)
Wenn jede Partei mal mit denen und mal mit jenen abstimmte, dann könnte es keine stabile Regierung geben. Das weiß auch die Linkspartei – und hat den Antrag nur gestellt, um die SPD vorzuführen. (Holger Ortel)
Was die von Ihnen angesprochene "Showpolitik" angeht, möchte ich meine bereits geäußerte Ansicht ausdrücklich aufrecht erhalten, dass es der Linkspartei mit ihrem Antrag vordringlich darum ging, die SPD vorzuführen; was in meinen Augen entschieden kein Beweis für politische Handlungsfähigkeit ist. (Niels Annen)

Vom Schriftsteller Stephan Sarek stammt das Sprichwort:

Ein schlechtes Gedächtnis ist meist die beste Vergangenheitsbewältigung.

Nur so ist zu erklären, warum die SPD inzwischen mit sich im Reinen ist.

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