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Hubertus Heil
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Frage von Kerstin M. •

Frage an Hubertus Heil von Kerstin M. bezüglich Senioren

Sehr geehrter Herr Minister Heil,

als reichstes Land in Europa leisten wir uns die niedrigesten Renten und fördern dadurch Altersarmut!

Bitte erklären Sie mir warum es in Österreich und der Schweiz geht und dort höhere Renten zu bezahlen?? Dort hat man bewusst die gesetzliche Rente gefördert und alle zahlen ein!! 80 % wird in Österreich bezahlt.

Bei uns in Deutschland soll sie unter 43 % oder 44 % sinken. Nach einem 45-jährigem Erwerbsleben. Man weint ja schon über die armen deutschen Rentner bei unseren direkten Nachbarn in Österreich etc. ...

MIr graut davor, wenn ich einmal in Rente gehen muss! Was ist los mit diesem Land und unseren Volksvertretern?

Wann soll sich etwas zum positiven verändern? Wann zahlen alle auch unsere Politiker in die gleiche Kasse. Ich habe den Verdacht, da es sie ja nicht betrifft, wird sich erst etwas ändern wenn wir auf die Straße gehen?!?

Unsere Politiker tun sich ja selbst nicht weh mit jeder Renten-Kürzung! Da zieht man so etwas leicht durch. Es betrifft sie ja nicht selbst, was sie da tun! Oder sehen Sie das anders?

Wann kommt eine wirkliche Rentenreform? Eine mit welcher auch die kleineren und mittleren Einkommen eine anständige Rente - wie in Österreich - bekommen?? Die betonung liegt auf anständig!

Danke für Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
K. M.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau M.,

vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihren Vorschlag zum Rentensystem.
In Ihrem Schreiben schlagen Sie den Umbau der deutschen Alterssicherung nach dem Vorbild des Österreicher Rentenmodells vor. Bei diesem Vorschlag ist Folgendes zu beachten:

Es ist zunächst voranzustellen, dass ein uneingeschränkter Vergleich von zwei völlig unterschiedlichen Systemen der Alterssicherung regelmäßig nicht möglich ist. Insbesondere ist es nicht hilfreich, einzelne Aspekte wie beispielsweise das Niveau der gesetzlichen Rente in Österreich herauszugreifen. Es muss immer die spezifische Situation des jeweiligen Landes betrachtet werden und das gesamte Konzept der Alterssicherung ins Auge gefasst werden.

Die Reform zu einem 3-Säulen-Modell der Alterssicherung wurde in Deutschland notwendig, um die Rentenversicherung auch langfristig für die jüngere Generation bezahlbar zu erhalten und ihr im Alter einen angemessenen Lebensstandard zu sichern. Die drei Altersvorsorgesysteme bringen bedeutende Vorteile mit sich: Die im Umlageverfahren finanzierte gesetzliche Rentenversicherung hat ihre Stärken in der hohen Sicherheit und den Leistungen des sozialen Ausgleichs. Sie wird auch in Zukunft den mit Abstand größten Anteil zur Lebensstandardsicherung in Deutschland beitragen. Die kapitalgedeckte betriebliche und private Altersvorsorge kann sich dagegen die Renditemöglichkeiten der nationalen und internationalen Kapitalmärkte erschließen. Zugleich wird eine Risikodiversifikation des Alterssicherungssystems erreicht und so die Zukunftsfestigkeit erhöht.

Bei Vergleichen der Renten in Österreich und Deutschland, wie ihn beispielsweise die Böckler-Stiftung angestellt hat, werden die Alterssicherungsleistungen aus der deutschen betrieblichen und / oder privaten Altersvorsorge nicht berücksichtigt. Gegenwärtig haben rund 70 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten eine betriebliche und / oder private (Riester) zusätzliche Altersvorsorge.

In Österreich werden die Renten im Gegensatz zu Deutschland nur in Höhe der Inflation angepasst. D.h., die Renten steigen nur parallel zu den Preisen, sodass die zu Anfang höheren Renten langfristig deutlich weniger ansteigen als bei der lohnorientierten Anpassung in Deutschland.

Eine automatische Anpassung der Altersrenten an die demographische Entwicklung sieht das österreichische System nicht vor. Im Gegensatz zu Deutschland ist Österreich nach den Feststellungen der OECD nicht hinreichend auf die einsetzende demografische Entwicklung vorbereitet. Das ist für Deutschland aber besonders wichtig, weil die demographische Herausforderung hier wesentlich größer ist: Der Altersquotient (Zahl der über 65-Jährigen in Bezug zur Anzahl der 20- bis 64-Jährigen) liegt 2015 für Österreich bei 30,3 % und für Deutschland bei 35,3 %. Für Österreich stellt sich gleichwohl auch die Frage nach der Finanzierung der Renten nach Einsetzen der Folgen der demografischen Entwicklung.

In Deutschland war und ist es dagegen politisches Ziel, die Folgen der demografischen Veränderungen generationengerecht zu verteilen und nicht einseitig den Beitragszahlern aufzubürden. Wir müssen daher auf der einen Seite dafür Sorge tragen, dass das öffentliche Rentensystem finanziell tragfähig ist und die Belastungen für die Beitragszahler nicht zu hoch werden. Auf der anderen Seite müssen wir sicherstellen, dass eine angemessene Alterssicherung für die Rentnerinnen und Rentner gegeben ist. Daher wird das ungünstiger werdende Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentenbeziehern in der deutschen Rentenanpassungsformel mit dem Nachhaltigkeitsfaktor sowie dem aus demografischen Gründen ansteigenden Beitragssatz berücksichtigt. Der Gesetzgeber hat dabei einen Anstieg des Beitragssatzes auf 22 Prozent bis 2030 als tragbar und ein Sicherungsniveau vor Steuern von nicht unter 43 Prozent bis 2030 als notwendig betrachtet und damit verbindliche Eckpfeiler einer generationengerechten Verteilung der demografischen Lasten in der gesetzlichen Rentenversicherung geschaffen.

Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen

Hubertus Heil

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