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Katharina Schulze
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Martin A. •

Frage an Katharina Schulze von Martin A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Schulze,

die bayrischen Grünen haben ein Volksbegehren gegen den "Flächenfraß" auf den Weg gebracht. Zentrales Motiv dahinter sei der Schutz der bayrischen Kulturlandschaft. Auch wenn es zunächst krachend gescheitert ist, dazu folgende Fragen.

a. In Bayern schützt die 10H-Regelung die Bürgerinnen und Bürger vor der ungezähmten Bauwut der Windkraftlobby. In Ihrem Wahlprogramm für Bayern 2018 schreiben Sie jedoch, diese Regel abschaffen zu wollen und sprechen von einem deutlichen Ausbau der Windkraft. Inwiefern sind unzählige, bis zu 200m hohe Windkraftanlagen für Sie Teil der bayrischen Kulturlandschaft, die es doch zu schützen gilt?

b. Ebenso fordern Sie bezahlbaren Wohnraum für alle. Wird jedoch Grund und Boden künstlich verknappt, ergibt sich daraus denknotwendig eine Steigerung des Preises – wirtschaftswissenschaftlich unumstritten. Dies wird den Neubau von Wohnraum weiter verteuern und das Problem der Wohnungsknappheit weiter verschärfen, anstatt zu lösen. Wieso wird der Widerspruch zwischen den Zielen Wohnungsbau und "Flächenfraß verhindern" ignoriert? Wie sollen junge Familien ihr Eigenheim realisieren, wenn es künftig noch teurer wird?

c. Zudem bezeichnen Sie den Ökolandbau als den "Königsweg" für die Zukunft der bayrischen (wenn nicht gar der deutschen) Landwirtschaft. Dennoch ist bestens belegt, dass der Ertrag beim "Bio-Anbau" deutlich geringer ist als bei der konventionellen Landwirtschaft. Wollen Sie Teile der Kulturlandschaft für die Landwirtschaft opfern oder sollen die Erträge zurückgehen (und etwa größere Mengen an Nahrungsmittel importiert werden)?

d. Mittelfristig sollen keine neuen Flächen mehr versiegelt werden, d.h. Wohnungsbau wäre nur noch dann möglich, wenn andere, existierende Gebäude abgerissen werden. Einmal mehr die Frage: Wie sollen junge Familien ihr Eigenheim realisieren, wenn sie – bei prognostizierten Zuzug nach Bayern – darauf angewiesen sind, dass anderswo abgetragen wird?

Gruß,

M.A.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Ahrendt,

vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an den Positionen der Grünen. Die Ablehnung unseres Volksbegehrens „Betonflut eindämmen“ durch das Bayerische Verfassungsgericht war offen gesagt ein herber Schlag. Der Weg zu weniger Flächenverbrauch in Bayern ist steiniger, als wir uns das erhofft haben. Aber die Bürgerinnen und Bürger haben uns durch den immensen Zustrom zu unseren Infoständen in der Unterschriftenphase gezeigt, dass sie dem ungebremsten Flächenfraß in Bayern nicht länger zusehen wollen. Diesen Auftrag der Menschen nehmen wir weiter an. Im Bündnis mit den großen Naturschutzverbänden und den vielen anderen Mitstreitern werden wir über die nächsten Schritte nachdenken und einen neuen Weg aufzeigen. Nachfolgend nehme ich gerne Stellung zu den diversen von Ihnen angesprochenen Aspekten:

a) Bis zum Jahr 2030 wollen wir Grüne den kompletten Stromverbrauch in Bayern auf 100 Prozent erneuerbare Energie umstellen und den Import von dreckigem Kohlestrom beenden. Wir brauchen in Bayern deutlich mehr Windräder, um eine saubere und sichere Energieversorgung zu gewährleisten. Werden Belange des Artenschutzes und der Bürgerbeteiligung von Anfang an in die Planungen einbezogen, ist ein weiterer Ausbau der Windkraft mit dem Schutz der Landschaft und der Natur vereinbar. Mir persönlich gefallen Windräder deutlich besser als Kohlekraftwerke, AKWs oder Gewerbegebiete. Sie sind ein Zeichen des Fortschritts. Gleichzeitig kann ich verstehen, dass dies für viele Menschen ein noch ungewohnter Anblick ist.

b. Jeden Tag verschwinden 13 Hektar Bayern unter Asphalt und Beton. Das entspricht 18 Fußballfeldern. Jedes Jahr wird eine Fläche so groß wie der Ammersee zugebaut. Wir wollen eine gesetzliche Grenze für den Flächenverbrauch und so die Betonflut eindämmen. Die vom Volksbegehren „Betonflut eindämmen“ vorgeschlagenen 5 Hektar Flächenverbrauch pro Tag, die künftig noch möglich sein sollen, lassen genügend Raum für weitere Entwicklung, für den Bau von Wohnungen oder Gewerbeansiedlungen.
Wohnraum für alle Menschen im Freistaat – schnell, nachhaltig und bezahlbar, das ist unser Ziel. Knapper Wohnraum darf nicht dazu führen, dass Menschen mit geringem Einkommen auf der Strecke bleiben. Das heißt für uns: so viel bauen wie nötig, Verdrängung stoppen, bezahlbaren Wohnraum erhalten und schaffen, Klimaschutz in den Gebäuden und im Stadtviertel voranbringen und Wohnungen barrierefrei umbauen – und das alles zu bezahlbaren Mieten! Denn für uns ist klar: Wohnen ist ein Grundbedürfnis und kein Luxus.

c. Nachhaltige und regionale Wertschöpfungskreisläufe stärken die bayerische Landwirtschaft, das regionale Handwerk und die Wirtschaftskraft in den Regionen. Unser Ziel lautet: Bis 2025 sollen 30 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Bayern ökologisch bewirtschaftet werden. Überall dort, wo Bayern Gestaltungsspielraum hat, werden wir ihn für einen Umbau der Landwirtschaft hin zu mehr Bio nutzen. Dass der Ökolandbau die Menschheit in Zukunft nachhaltig ernähren
kann, zeigen mehrere Studien. Beispielsweise indem man auf tierisches Kraftfutter verzichtet, weniger Fleisch isst und Lebensmittelabfälle vermeidet (zum Weiterlesen empfehle ich die Publikation „Nutztierhaltung – Basis der Landwirtschaft in Bayern“ aus der Schriftenreihe der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft)

d. Das stimmt so nicht. Wir wollen vorhandene Flächen, z.B. leerstehende Häuser oder bereits ausgewiesene aber unbebaute Wohngebiete intelligent nutzen. Gerade in Ballungsgebieten geht es natürlich nicht ohne neue Wohnflächen – das ist in unserem bayernweiten Flächenziel berücksichtigt.

Herzliche Grüße
Katharina Schulze

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