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Lisa Gnadl
SPD
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Frage von Miriam J. •

Frage an Lisa Gnadl von Miriam J. bezüglich Frauen

Sehr geehrte Frau Gnadl,

anlässlich der anstehenden Landtagswahl möchte ich Sie fragen, wie Sie bzw. Ihre Partei sich zu den folgenden frauenpolitischen Fragestellungen positionieren:

1.) Terre des Femmes hat mit der Petition „Den Kopf frei haben“ eine Kampagne zur Einführung eines Kopftuchverbotes für Minderjährige insbesondere an Schulen gestartet. Werden Sie sich für die Umsetzung eines solchen Verbotes einsetzen, sodass Mädchen an hessischen Schulen nicht länger durch patriarchalische Traditionen in ihrer freien Entwicklung behindert und sozial ausgegrenzt werden?

2.) Seit 2003 ist die Zahl der Einrichtungen, wo Frauen sichere Schwangerschaftsabbrüche vornehmen lassen können, um 40 % zurück gegangen ist. Grund dafür ist u.a. das militante Auftreten religiöser Fundamentalisten, die FrauenärtzInnen einschüchtern und bedrohen. Zudem dürfen ÄrztInnen selbst entscheiden, ob sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen oder nicht. Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um eine engmaschige, flächendeckende Versorgungsstruktur in Hessen sicherzustellen?

3.) Dank der liberalen Gesetzgebung floriert in Deutschland und Hessen die Prostitution. Studien wie Farley et al. (2003, http://prostitutionresearch.com/pdf/Prostitutionin9Countries.pdf ) zeigen allerdings auf, dass die Mehrheit der Prostituierten zum einen in der Kindheit Gewalt und sexuellen Missbrauch erlebt haben und zum anderen unter posttraumatischen Belastungsstörungen leidet. Gleichzeitig zeigt U. Gerheim in seiner Studie „Die Produktion des Freiers“ auf, dass bei einigen Freiern durch kontinuierliche Prostitutionsnachfrage ein „Empathie- und Respektsverlust in Bezug auf körperliche und sexuelle Grenzsetzung“ (S. 303) festgestellt werden kann.
Wie wollen Sie deutschen und ausländischen Prostituierten in Hessen helfen, aus der Prostitution auszusteigen? Mit welcher Strategie wollen Sie zum Wohle der Gesellschaft die Prostitutionsnachfrage zurückdrängen?

Mit freundlichen Grüßen
M. J.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Damen und Herren,
die Frage beantwortet Frau Gnadl wie folgt:

1.) Terre des Femmes hat mit der Petition „Den Kopf frei haben“ eine Kampagne zur Einführung eines Kopftuchverbotes für Minderjährige insbesondere an Schulen gestartet. Werden Sie sich für die Umsetzung eines solchen Verbotes einsetzen, sodass Mädchen an hessischen Schulen nicht länger durch patriarchalische Traditionen in ihrer freien Entwicklung behindert und sozial ausgegrenzt werden?

Für uns als SPD ist das verfassungsrechtlich verankerte Recht auf Religionsfreiheit ein elementares Grundrecht, das gerade bei muslimischen Frauen auch das Recht umfasst, als Ausdruck ihres Glaubens ein Kopftuch tragen zu dürfen und zu können. Das Kopftuch ist in diesem Fall frei gewählte Zugehörigkeitsbekundung zu einer Religion. Was die Frage des Tragens eines Kopftuchs bei Minderjährigen betrifft, so stehen für uns als SPD die Interessen des Kindes im Vordergrund. Wir wollen, dass Kinder am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, um sich bestmöglich entwickeln zu können. Wir wollen nicht, dass ein Kind Spielball widerstreitender Interessen wird und Druck ausgeübt wird. Wir bezweifeln daher, ob man mit Verboten wirklich das von uns allen gewünschte Ziel erreicht. Wir setzen bei diesem sensiblen Thema auf die Kommunikation mit den betroffenen Kindern und ihren Eltern, zumal es nach unseren Informationen um eine nur sehr kleine Zahl geht.

2.) Seit 2003 ist die Zahl der Einrichtungen, wo Frauen sichere Schwangerschaftsabbrüche vornehmen lassen können, um 40 % zurück gegangen ist. Grund dafür ist u.a. das militante Auftreten religiöser Fundamentalisten, die FrauenärtzInnen einschüchtern und bedrohen. Zudem dürfen ÄrztInnen selbst entscheiden, ob sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen oder nicht. Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um eine engmaschige, flächendeckende Versorgungsstruktur in Hessen sicherzustellen?

Wir sind der Überzeugung, dass ein Grundproblem in dieser Diskussion § 219 a StGB ist. Der Paragraf in seiner derzeitigen Form kriminalisiert Ärztinnen und Ärzte, die Frauen in einer besonderen Notlage sachlich und neutral informieren. Das führt dazu, dass weniger Ärztinnen und Ärzte entsprechende Angebote unterbreiten. Deswegen begrüßen wir es, dass Bundesjustizministerin Barley eine Gesetzesänderung vorlegen will, die den Ärztinnen und Ärzten Rechtssicherheit gibt und die Versorgung der Patientinnen sicherstellt. Parallel dazu begrüßen wir kommunale Initiativen, durch die über Websites bzw. Listen darüber informiert wird, welche Kliniken und welche Ärztinnen/Ärzte Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Wir sind der Auffassung, dass auch eine Landesregierung die Gesundheitsämter anweisen kann entsprechende Informationen vorzuhalten. So könnten betroffene Frauen schnell und unproblematisch einen Überblick erhalten. Leider hat die schwarz-grüne Landesregierung dies im Rahmen aktueller Beratungen abgelehnt. Diese Listen können eine Gesetzesänderung auf Bundesebene nicht ersetzen, würden aber zumindest eine Übergangslösung darstellen. Das Land Hessen und die Kommunen könnten diese Regelung sehr einfach umsetzen.

3.) Dank der liberalen Gesetzgebung floriert in Deutschland und Hessen die Prostitution. Studien wie Farley et al. (2003, http://prostitutionresearch.com/pdf/Prostitutionin9Countries.pdf ) zeigen allerdings auf, dass die Mehrheit der Prostituierten zum einen in der Kindheit Gewalt und sexuellen Missbrauch erlebt haben und zum anderen unter posttraumatischen Belastungsstörungen leidet. Gleichzeitig zeigt U. Gerheim in seiner Studie „Die Produktion des Freiers“ auf, dass bei einigen Freiern durch kontinuierliche Prostitutionsnachfrage ein „Empathie- und Respektsverlust in Bezug auf körperliche und sexuelle Grenzsetzung“ (S. 303) festgestellt werden kann.
Wie wollen Sie deutschen und ausländischen Prostituierten in Hessen helfen, aus der Prostitution auszusteigen? Mit welcher Strategie wollen Sie zum Wohle der Gesellschaft die Prostitutionsnachfrage zurückdrängen?

Uns als SPD ist es vor allem wichtig, konsequent gegen Zwangsprostitution vorzugehen. Im Jahr 2016 hat der Bundestag mit den Stimmen der SPD ein Gesetz beschlossen, das den Kampf gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution verbessert. Die strafrechtlichen Regelungen gehen weit über die verpflichtende Umsetzung europarechtlicher Vorschriften hinaus. Freier machen sich nun strafbar, wenn sie die Dienste einer erkennbaren Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen.

Den SPD-Bundestagsabgeordneten war es besonders wichtig, dass mit dem Gesetz vor allem Frauen und Kinder besser vor Menschenhandel und Zwangsprostitution geschützt werden. Eine reine Umsetzung der EU-Richtlinie wäre dafür nicht ausreichend gewesen.

Seitdem macht sich strafbar, wer ein Opfer unter Ausnutzung seiner Zwangslage nach Deutschland bringt, wenn er weiß, dass das Opfer zur Zwangsprostitution, zur Begehung von Straftaten oder zur Organentnahme gezwungen werden wird. Bisher war der Strafrichter zum Tatnachweis des Menschenhandels allzu oft auf eine Aussage des Opfers angewiesen, die diese häufig aus Furcht vor Gewalt und Vergeltung verweigerten. Mit der präzisen Neufassung des Tatbestandes Menschenhandel können die Ermittlungsbehörden nun effektiv gegen die menschenverachtenden Praktiken der Menschenhändler vorgehen. Diese strafrechtlichen Änderungen unterstützen auch wir als SPD Hessen.

Darüber hinaus müssen Beratungsstellen wie z.B. die der Inneren Mission in Frankfurt (Tamara) stärker unterstützt werden. Sie geben Prostituierten individuelle Hilfe, um eine neue berufliche und private Perspektive zu entwickeln. Wir werden in Regierungsverantwortung prüfen, ob und in welchem Umfang aus Landesmitteln Unterstützung für derartige Beratungsstellen möglich ist. Ein Verbot der Prostitution halten wir nicht für sinnvoll, das würde alle Beteiligten, auch die Prostituierten kriminalisieren und deren Situation nicht verbessern.

Mit freundlichen Grüßen

Tobias Gniza
i.A.

L i s a  G n a d l
Mitglied des Hessischen Landtags

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