Finja Praktikantin bei abgeordnetenwatch.de
Finja
Ein Tag im Team Wahlen & Parlamente

So entstehen unsere Infoportale zu den Wahlen

Erfahren Sie, wie unsere Wahlportale vor Landtags-, Bundestags- und Europawahlen entstehen. Ein Einblick in die Arbeit des Teams Wahlen & Parlamente bei abgeordnetenwatch.de.

von Finja Hoffmann, 10.10.2023

Pünktlich vor jeder Landtags-, Bundestags- und Europawahl tauchen seit 2004 unsere Wahlportale auf abgeordnetenwatch.de auf. Alle Direktkandidierenden sind hier mit einem Profil vertreten. Sie als Wähler:innen können ihnen Fragen stellen und in unserem Kandidierenden-Check (KC) Ihre Ansichten mit den Standpunkten der Bewerber:innen für Ihren Wahlkreis vergleichen. Woher haben wir all die Informationen? Und, wer denkt sich die Thesen für den Kandidierenden-Check aus?

Ich habe es im Rahmen meines 3-monatigen Praktikums im Team Wahlen & Parlamente bei abgeordnetenwatch.de erfahren. In dieser Zeit haben wir die Landtagswahlen in Bayern und Hessen am 8. Oktober 2023 vorbereitet. Lesen Sie weiter und begleiten Sie mich bei einem typischen Arbeitstag. Am Vormittag zeige ich Ihnen die Arbeit vor der Veröffentlichung der Wahlportale, der Nachmittag gewährt Einblicke in die Zeit danach.

Der Vormittag: Unsere Arbeit vor der Veröffentlichung

7.50 Uhr

Meine Arbeit beginnt morgens gegen 8 Uhr. Im Team Wahlen & Parlamente sind wir eher Morgenmenschen und meist früh im Büro anzutreffen. Nach einem kurzen Plausch mit meiner Teamleiterin und Ansprechpartnerin und einem Zwischenstopp an der Kaffeemaschine geht es dann auch schon ans Werk.

Der erste Klick gilt in der Regel unserer internen Kommunikationsapp. Gibt es neue Nachrichten? Was habe ich verpasst? Abgeordnetenwatch.de verfügt über zwei Büros - eines in Berlin und eines in Hamburg. In der Hansestadt wurde der Verein nämlich 2004 anlässlich der Bürgerschaftswahl gegründet. Außerdem gibt es Mitarbeiter:innen, die unsere Home-Office-Option nutzen. Deshalb reden bzw. schreiben wir besonders viel miteinander per App. Das erste, was ich hier gelernt habe, war daher meine Arbeitsschritte so zu notieren, dass meine Kolleg:innen sie nachvollziehen können.

8.20 Uhr

Als zweiten Schritt am Morgen checke ich meist das Email-Postfach. Vielleicht hat ja einer der Landesverbände, die wir angeschrieben haben, uns inzwischen eine Liste mit allen Direktkandidierenden und auch ihr Wahlprogramm geschickt? Unser Ziel ist es, schon Monate vor dem Wahltag eine vollständige Liste aller Personen zu haben, die für die Erststimme kandidieren. Schließlich, wollen wir auf unserer Plattform aus unserem Demokratie- und Transparenzverständnis heraus ausnahmslos alle Direktkandidierenden abbilden. Wahlen sind in unserem wie in jedem demokratischen System ein politisch und historisch höchst bedeutsames Ereignis, und unser Anspruch ist es, dieses Ereignis lückenlos zu dokumentieren und auch nach der Wahl nachvollziehbar darzustellen. Abgeordnetenwatch.de versteht sich nämlich auch als digitales Wähler:innengedächtnis. Und da wir nicht nur eine einfache Auflistung der Kandidierenden bieten, sondern eben Profile, die sie selbst bearbeiten sollen, möchten wir ihnen dafür auch genug Zeit geben.

Ich erhalte auch Benachrichtigungen, dass sich Direktkandidierende in unser Online-Formular eingetragen haben. Auf diesem Weg können die Kandidierenden auf uns zukommen, was uns sehr viel Recherchearbeit erspart. Außerdem haben wir dadurch direkt eine E-Mail-Adresse von ihnen. Wir sind auf diese angewiesen, um die Kandidierenden über ihre Profile zu informieren und ihnen die Fragen der Wähler:innen zukommen zu lassen.

9.40 Uhr

Um 9.40 Uhr treffen wir uns - wie jeden Morgen - zu unserem „Stand-In“. So nennen wir unsere morgendliche Teambesprechung im Team Wahlen & Parlamente. Wir erzählen der Reihe nach, was wir heute vorhaben und wie es uns gerade geht. Meistens findet das Stand-In virtuell statt. Besonders schön ist es, wenn alle aus dem Team im Büro sind und wir uns in der Raummitte treffen. Von dort ist die Kaffeemaschine dann auch nicht mehr weit. Das Stand-In beinhaltet viele aktuelle und vertrauliche Themen, die die einzelnen Mitglieder beschäftigen. Deswegen gehe ich auf dieses nicht näher ein.

Nachdem wir uns einen schönen Tag gewünscht haben und der Kaffee gekocht ist, schaue ich mir nochmal die Wahlprogramme der Parteien an. Ich suche nach interessanten Forderungen, die den Positionen anderer Parteien widersprechen. Daraus kann ich dann eine These für unseren KC entwickeln. In mehreren nach Themen strukturierten Meetings arbeiten wir im Team Thesen zu unterschiedlichen Politikfeldern aus, zu denen die Direktkandidierenden Stellung beziehen sollen.

10.30 Uhr

Um 10.30 steht auch schon unser KC-Meeting zu den Themen Umwelt, Energie und Verkehr an. Schienenverkehr vor Straßenausbau, Wolfabschuss und "Wassercent" - bei letzterem handelt es sich um einen Betrag, der für die Entnahme, also Nutzung, von Grundwasser anfällt und meist höher als 1 Cent ist. Die Regelungen sind abhängig vom Bundesland und auch innerhalb der einzelnen Länder variiert der genaue Preis oft nach Verwendungszweck. Wir diskutieren sehr lange, denn es gibt viel bei der Themenauswahl zu berücksichtigen.

Die Themen sollen nicht zu komplex sein, damit sie verständlich in einem Satz formuliert werden können. Es muss deutlich werden, worin die geforderte Veränderung besteht. Hin und wieder müssen wir nochmal nachrecherchieren. Wie ist die aktuelle Gesetzeslage, zum Beispiel zum Artenschutz und zum Abschuss vom Wolf? Darf der Landtag überhaupt darüber entscheiden? Wie viel wissen Wähler:innen wohl zu dem Thema? Vom "Wassercent“ habe ich noch nie was gehört - der Wolf ist gerade bundesweit in den Schlagzeilen. Wahrscheinlich haben dazu mehr Bürger:innen eine Meinung. Deswegen nehmen wir die Themen Wolf und Schienenverkehr mit in die nächste Sitzung.

An einem anderen Tag werden wir nochmal alle Thesen besprechen, die uns in den thematischen Sitzungen überzeugt haben. Dabei werden wir innerhalb des Teams Wahlen & Parlamente einen ersten Entwurf für den Kandidierenden-Check ausarbeiten. Als letzten Schritt werden wir den Entwurf nochmal den anderen Teams von abgeordnetenwatch.de vorstellen. Gemeinsam werden wir schließlich entscheiden, welche Thesen wirklich in unserem KC landen. Das Ergebnis finden Sie in unseren Wahlportalen.

12.05 Uhr

Das KC-Meeting hat wieder länger gedauert als geplant: Es ist höchste Zeit fürs Mittagessen. Mit dem nehmen wir es im Team sehr genau und nicht selten fragt die erste Person schon vor 12 Uhr, was die anderen für Essenspläne haben. Manchmal haben wir uns etwas von Zuhause mitgenommen. Gespeist wird dann gemeinsam in unserer Sitzecke. Heute verführt uns die Lage unseres Büros in der Nähe vom Kotti aber wie so oft dazu, etwas Essen zu gehen. Sudanesisch? Oder lieber vietnamesisch? Wir werden uns schnell einig.

Der Vormittag spiegelt die Zeit vor dem Launch unserer Wahlprojekte wieder. Gut zwei Monate vor der Wahl haben wir die Profile der Kandidierenden hochgeladen. Ende August haben wir sie veröffentlicht und die Wahlportale wurden für Sie auf unserer Website sichtbar. Wie geht es dann bei uns im Team weiter? Welche Aufgaben stehen nach der Veröffentlichung an? Ich zeige es Ihnen am Nachmittag.

Der Nachmittag: Unsere Arbeit nach der Veröffentlichung

13.10 Uhr

Nach dem Mittagessen machen wir weiter mit unserer "Telefonaktion".

„Ich habe gesehen, dass Sie sich noch nicht eingeloggt haben. Haben Sie denn unsere E-Mails bekommen?“ - Wie oft ich diesen Satz in den letzten Wochen gesagt habe, ich weiß es nicht. Mit Sicherheit ein paar Hundertmal. Damit wirklich alle Kandidierenden über ihr Profil bei uns informiert sind und auch möglichst viele am Kandidierenden-Check teilnehmen, versuchen wir alle auch einmal telefonisch zu erreichen. In Bayern kandidieren 1.035 Menschen für die Erststimme, in Hessen 470. Nicht von allen haben wir Telefonnummern. Die große Mehrheit der "Kandis“ rufen wir mindestens zweimal, teilweise dreimal an, bis der Status ihres KCs in unserm System von "Keine Teilnahme“ auf "Abgeschickt“ umspringt. Damit haben meine Mitpraktikantin und ich alle Hände voll zu tun. Zum Glück unterstützen uns auch Alex, einer der Werkstudierenden, und unsere Teamleiterin.

Beim Telefonieren werfen Anna-Lena, die andere Praktikantin, und ich uns hin und wieder über unsere Schreibtische hinweg genervte Blicke zu. Das müssen wir aber meist nur, wenn zum 10. Mal in Folge der Anrufbeantworter angeht. Louiza hat wohl mitbekommen, dass es gerade nicht so läuft, und zaubert aus dem Hauswirtschaftsraum die Snack-Box hervor. Unsere Büroleitung versorgt uns regelmäßig mit Snack-Bestellungen, die für jede:n mit einem süßen Zahn etwas bereithalten. Nach ein paar Schokokeksen sieht die Welt wieder anders aus und wir telefonieren mit neuem Elan die Liste weiter ab.

14.20 Uhr

Diesmal haben wir mehr Glück und erreichen auch ein paar der Kandidierenden. Die meisten von ihnen reagieren sehr freundlich und dankbar auf unsere Anrufe. Aber nicht immer gehen sie selbst ans Telefon. Ich spreche zwischendurch auch mal mit einer Mutter, Anna-Lena hatte auch mal ein Kind am Apparat. Einige der Direktkandidierenden haben außerdem schon ein Mandat und ein Abgeordnetenbüro inklusive Mitarbeitende, mit denen wir sprechen. Es sind noch Sommerferien in Bayern und Hessen, da erreichen wir leider nicht immer jemanden.

Von manchen Kandis haben wir nur die Mobilnummer. Die erwische ich dann mit hoher Wahrscheinlichkeit persönlich, aber auch in den unterschiedlichsten Lebenslagen: auf der Arbeit, im Wartezimmer der Krankengymnastik oder mitten im Wahlkampf beim Plakatieren.

Als mich eine Kandidatin zurückruft und mir erzählt, sie hätte nicht ans Telefon gehen können, weil sie auf einer Beerdigung war, weiß ich erst gar nicht, was ich darauf antworten soll. Wie finde ich jetzt taktvoll die Überleitung zu unserem Wahlprojekt? Ich hab mir vorher nie Gedanken darüber gemacht, wie es ist, einen Wahlkampf zu bestreiten und dass man dabei genauso mit Alltagsproblemen konfrontiert ist, wie jeder andere Mensch auch. Aber auch diese Kandidatin reagiert sehr freundlich und bedankt sich für die Erinnerung.

17.00 Uhr

Irgendwann wird meine Stimme etwas kratzig. Für heute haben wir genug telefoniert und die Stundenzahl stimmt auch. Dann bleibt nur noch noch eins: „Schönen Feierabend"!“ - die Letzte macht das Licht aus.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesem Bericht zeigen, wie die Arbeit in unserem Team aussieht und wie viel Mühe wir in unsere Informationsportale stecken. In jeden Arbeitsschritt fließen viele Überlegungen und Abwägungen ein, aber natürlich gibt es immer Raum für Verbesserungen. Über ein konstruktives Feedback freuen wir uns immer, denn schließlich machen wir diese Arbeit in erster Linie für Sie. Wir laden Sie daher herzlich ein, hier uns Ihre Anregungen und Wünsche mitzuteilen.

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