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Gerold Otten
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Frage von Rolf K. •

War das die gesamte militärische Leistung der russischen Streitkräfte?

Sehr geehrter Herr Otten,
angesichts der bisherigen militärisch strategischen und taktischen Fähigkeiten der russischen Streitkräfte, es sei denn, Putin hatte nie die Absicht die ges. Ukraine zu besetzten, ist mir die These: „Unterstützung der Ukraine bedeutet: Frieden und Freiheit in Europa verteidigen“ vollkommen unklar.
Es ist m.E. absolut nicht zu erwarten, daß die russische politische Führung die Absicht hat, eine militärische Auseinandersetzung mit Staaten der NATO zu provozieren.
Frage: Sind Sie der Meinung, daß das, was bisher geschah, die ges. russische militärische Leistung war?
Mit den besten Grüßen Rolf K.

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Sehr geehrter Herr K.,

Ihre Frage zielt auf die militärische Leistungsfähigkeit einerseits und das politische Ziel Putins andererseits ab. Beiden Fragen zugrunde liegt die Ansicht, die bereits der preußische Militärreformer Carl v. Clausewitz geäußert hat, nämlich, dass der Krieg die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln sei und sich Staaten Streitkräfte schaffen, um ihrem machtpolitischen Anspruch zu sichern. Ich möchte Ihre Frage in zwei Schritten beantworten, indem ich zunächst die bisherigen Kämpfe betrachte und beurteile sowie Folgerungen ableitet. Es handelt sich dabei um meine persönliche Bewertung, die sich aus dem ergibt, was ich erfahren habe und sehe.

Werfen wir einen Blick zurück und betrachten die Kampfkraft der russischen Streitkräfte können wir feststellen, dass diese im Großen und Ganzen schlecht war. Strategisch waren die Russen unfähig, ihre anfänglich schnellen Gebietsgewinne zu behaupten. Hier zeigte sich, dass sie anfällig für Bedrohungen aus der Luft sowie unfähig waren, örtlichen Gegenangriffen auf ihre Verbindungslinien standzuhalten. Offenbar hatte man russischerseits mit keinem Widerstand gerechnet, indem der Einmarsch in die Ukraine als politische Demonstration gedacht war. In den darauffolgenden Monaten wandelte sich das Kriegsbild zunehmend in den Stellungs- und Abnutzungskampf, wie wir es gegenwärtig sehen. Diese Entwicklung wurde von den Russen nicht vorhergesehen, weshalb sie darauf auch nicht vorbereitet waren. Das gab den Ukrainern die nötige Zeit, diese Phase zu überstehen und ihre Menschenreserven zu mobilisieren.

Jetzt wird mit größtem Menschen- und Materialeinsatz um wenige hundert Metern gekämpft. Taktisches Ziel ist es, einen Durchbruch durch die Verteidigungsstellungen des Gegners zu erzielen, um diesen Erfolg strategisch ausnützen zu können. Ich glaube, selbst wenn es den Ukrainern gelänge, nach längeren Kämpfen einen taktischen Durchbruch durch die russischen Stellungssysteme zu erreichen, sie wären aufgrund ihrer begrenzten Zahl an Menschen und Material sowie der Massierung russischer Reserven unfähig zu schnellen Vorstößen, um einen strategischen Erfolg zu erringen. Andererseits würde ein Abnutzungskampf langfristig die russische Seite bevorzugen, da die Russen auf größere Reserven an Menschen und Material zurückgreifen können.

Ich fasse zusammen und beantworte Ihre Frage: Das, was wir in den vergangenen Monaten gesehen haben, war das gesamte konventionelle Leistungsspektrum der russischen Streitkräfte. Es bildete dasjenige Leistungsvermögen ab, zu dem die russischen Streitkräfte vor Kriegsausbruch fähig waren. Dieses Leistungsspektrum allein rechtfertigt aus meiner Sicht nicht den Anspruch Russlands, eine Weltmacht oder zumindest eine regionale Ordnungsmacht zu sein. Wir wissen aber auch, dass sich dieser Anspruch einzig und allein aus dem Kernwaffenarsenal der Russen speist. Und hierin liegt der Unterschied zu anderen konventionellen symmetrischen Konflikten, indem eine Eskalation dieses regionalen Konfliktes die Gefahr eines Atomkrieges in sich birgt.

Wenngleich die russische konventionelle Kampfleistung weit unter dem lag, was westliche Beobachter erwartet hatten, müssen wir aber dennoch annehmen, dass nicht nur die Ukrainer mit Dauer der Kämpfe dazulernen, sondern auch die Russen. Die Kämpfe hatten bis dahin die Schwächen der Russen offengelegt, die sich nicht nur auf mangelndes Geschick russischer Führer, Unterführer und Mannschaften beschränkte, sondern auch auf die Unfähigkeit zum Kampf der verbundenen Waffen sowie mangelhafte Aufklärung und aus erheblichen Problemen bei schneller, präziser Wirkung. Die Kämpfe führen zwangsläufig dazu, dass die Russen diese Schwächen, wo es möglich ist, beheben und sich auf den Einsatz von Mitteln beschränken, die ihrer Fechtweise entgegenkommen.

Was folgt daraus für den Krieg? Wir haben gesehen, dass die russischen Streitkräfte nicht in der Lage waren, die politisch gesetzten Ziele auf eine militärisch effiziente schnelle Weise zu erreichen. Nun aber arbeitet die Zeit für die Russen in ihrem Streben, unter Einsatz ihres großen Potenzials an Menschen und Material einen Siegfrieden zu erzwingen. Dieser könnte erreicht werden, indem nur eine der drei wichtigsten gegnerischen Machtquellen (Menschen, Material, Kampfeswille) abgenutzt wird. Es kann dabei nicht die Absicht der Russen sein, eine Auseinandersetzung mit einem oder mehreren NATO-Staaten zu provozieren, wie sie schreiben. Abgesehen von der Gefahr einer nuklearen Eskalation dieses Krieges, die keiner wünschen kann, bezweifle ich jedoch auch, dass die westlichen Bevölkerungen willens sind, die enormen Opfer einer direkten aktiven Kriegsbeteiligung zu ertragen, wie sie Ukrainer und Russen seit Monaten zu erbringen gezwungen sind. So würde sich eine fortgesetzte Unterstützung weiterhin auf Kriegsmaterial und Geld beschränken. Beides wird mit der naiven Vorstellung propagandistisch untermauert, die Ukrainer könnten die Russen bis auf die Grenze von Februar 2022 zurückdrängen, dann würde der Krieg enden.

Kampfeswille und Menschenreserven sind meiner Meinung die beiden kritischen Machtquellen der Ukraine, die versiegen können, wird der Abnutzungskampf fortgesetzt. Eine kluge westliche Politik müsste das erkennen und verhindern, indem der Krieg nicht in eine Richtung driftet, in der eine oder beide Machtquellen zunehmend erschöpft werden. Der Westen täte gut daran, das rechtzeitig zu erkennen und schnellstmöglich Verhandlungen zu initiieren, in der beide Seiten ihre Würde waren können. Da der Westen in diesen Krieg stark einseitig involviert ist, kann er nur Einfluss auf eine der beiden Seiten geltend machen. Folglich könnte der Anstoß zu einem dauerhaften Frieden nur von den Kriegsparteien selbst oder von einer dritten Macht erfolgen, die weder ein Interesse an einer Demütigung und militärischen Schwächung Russlands noch an einer nachhaltigen territorialen Schwächung der Ukraine hat.

Mit diesen abschließenden Gedanken zum Krieg möchte ich Ihre Frage beantworten.

Mit freundlichem Gruß

Gerold Otten

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