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Gesine Lötzsch
DIE LINKE
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Frage von Marco R. •

Frage an Gesine Lötzsch von Marco R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Dr. Lötzsch,

Ich habe ein paar Fragen an Sie als Berliner Abgeordnete und Parteivorsitzende.

1. Weshalb ist Ihre Partei überzeugt davon, dass ausgerechnet sozialistische Wirtschaftskonzepte, die in etlichen Staaten zu Staatsbankrotten geführt haben (Z.Bsp. Verstaatlichung von Industriezweigen) für die Zukunft hilfreich sind? Weshalb ist die Linke der Auffassung, dass diese helfen können, die unbetreitbaren Nachteile des Kapitalismus zu überwinden? Ich habe den Eindruck, dass die Konzepte der Linken großteils ausschließlich auf einer Verteilung der Güter beruhen, ohne dass Konzepte zur Wertschöpfung vorgelegt werden. Wo sehen Sie Möglichkeiten zur Schaffung von Arbeitsplätzen (Ausser im öffentlich bezahlten Sektor) und Kooperationsmöglichkeiten mit der freien Wirtschaft?

2. Ihre Partei lehnt es ab, die DDR als "Unrechtsstaat" zu bezeichnen, da es den Begriff nicht gibt. Wie beurteilen Sie den Mauerbau, die damit verbundene faktische Ausreiseunmöglichkeit für die meisten DDR-Bürger (Weshalb glauben Sie haben viele DDR-Bürger versucht, die DDR durch Grenzdurchbruch unter Einsatz ihres Lebens zu verlassen?) und das verhältnismäßig geringe Aufkommen systemkritischer Kunst/Presse innerhalb der DDR im Vergleich zu z.Bsp. westlichen Staaten?

3. Wie beurteilen Sie den Vorwurf vieler ehemaliger DDR-Bürger, die DDR-Führung hätte in Gefängnissen wie Berlin-Hohenschönhausen und Bautzen mittels Staatssicherheit systematisch Folter gegen Systemkritiker ausüben lassen? Sehen Sie hierbei Verbindungen zum politischen System der DDR?

4. Welche Schlüsse zieht die Linke aus den bekannten Vorwürfen für ihre geschichtliche Bewertung der DDR?

Freundliche Grüße,
M. Rau

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Rau,

vielen Dank für Ihre E-Mail.

1. Abgesehen von bestimmten Etikettierungen verfolgt unsere Wirtschaftspolitik in erster Linie einen makroökonomischen Ansatz: Darunter fallen u.a. die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes, die Anhebung der Lohnquote, Reformen in den Sozialsystemen und bessere Arbeitsbedingungen. All diese Maßnahmen würden die Kaufkraft erhöhen und durch eine Konjunktur der Binnenwirtschaft Arbeitsplätze schaffen. Der größte wirtschaftspolitische Fehler des Neoliberalismus ist die Vernachlässigung der Nachfrage der Binnenwirtschaft.

2. und 3. Wir lehnen den Begriff des "Unrechtsstaates" jedoch nicht nur ab, weil er wissenschaftlich nicht haltbar ist, sondern weil er für die heutige politische Auseinandersetzung instrumentalisiert wird. Mit diesem Begriff wird die DDR im Ganzen und alle ihre Aspekte, die damals wie heute auf eine gerechte Gesellschaftsordnung weisen, dämonisiert. Darüber hinaus ist es ein Begriff, der nicht einer sachlichen Aufarbeitung der Gesichte dient, sondern genau die verhindern soll. Das hat offensichtlich auch der letzte Ministerpräsident der DDR Herr Lothar de Maiziere (CDU) erkannt.

4. Aus der geschichtlichen Bewertung der DDR folgt für uns, dass wir jede Form von Sozialismus in Verbindung mit autoritärer Herrschaft ablehnen. Entweder der Sozialismus ist demokratisch oder er ist nicht.

Mit freundlichen Grüßen,

Gesine Lötzsch, MdB

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