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Frage von Marianne J. •

Frage an Karsten Becker von Marianne J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Lieber Herr Becker,

Ihre Partei hat am 29.06.2012 für den ESM und am 30.11.2012 für das nächste Griechenland-Renntungpaket jeweils mehrheitlich gestimmt.
Meine Fragen:
Wie stehen Sie persönlich dazu und sind Sie davon überzeugt, dass diese u. ähnliche weitere Maßnahmen a) zur Stabilisierung des Euro b) zu einem wirtschaftlichen Gleichgewicht innerhalb der Euro-Zone c) zu Gerechtigkeit von Arbeit, Einkommen und Wohlstand ohne Belastungen nachfolgender Generationen beitragen?

Mit freundlichem Gruss
Marianne Jürgens

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Antwort von
SPD

Liebe Frau Jürgens,

ich bedanke mich für Ihre Frage nach meiner Position zum „Griechenland-Rettungpaket“.

Die Entscheidung, abermals einem Hilfspaket für Griechenland zuzustimmen, ist der SPD-Bundestagsfraktion bekanntlich nicht leicht gefallen. Ausschlaggebender Grund für die letztendliche Zustimmung war, auf diese Weise ein Herausbrechen Griechenlands aus der europäischen Währungsunion zu verhindern. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat ein solches Szenario, wie ich meine sehr zutreffend, als “Kollaps“ bezeichnet, „der für Deutschland und viele andere Länder die größere Katastrophe darstellt, da er eine Erschütterungsdynamik auslösen würde, die Europa wirklich beschädigen könnte“.

Sie fragen, ob mit der Zustimmung zum Griechenland-Rettungspaket und ähnlichen Maßnahmen eine Stabilisierung des Euro, ein wirtschaftliches Gleichgewicht innerhalb der Euro-Zone und Aspekte der Gerechtigkeit im Zusammenhang mit Arbeit, Einkommen und Wohlstand erreicht werden könnten.

Ich bin davon überzeugt, dass die Stabilisierung der Eurozone im ureigenen deutschen Interesse liegt. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Rezession auch Deutschland erreicht. Wir profitieren nur so lange von der Exportstärke unserer Wirtschaft, wie in unseren Nachbarländern soziale Stabilität und Wohlstand gewährleistet sind. Daher war es auch unter wirtschaftspolitischen Aspekten unausweichlich, Griechenland mit einem konkreten Hilfspaket vor einer Staatspleite zu bewahren - insbesondere auch, um eine ökonomische Kettenreaktion in Europa mit fatalen Auswirkungen auf den Wohlstand in Deutschland zu verhindern. Peer Steinbrück hat Angela Merkel vorgeworfen, aus Angst vor den anstehenden Wahlen in Deutschland den Menschen nicht die ganze Wahrheit zu sagen. Die SPD hat demgegenüber immer den Standpunkt vertreten, dass die Stabilisierung der Euro-Zone Geld kosten wird. Vor diesem Hintergrund halte ich die Feststellung für angemessen, dass die Bundesregierung die Menschen immer nur gerade so weit informiert hat, wie es ihr zur Beruhigung der Bevölkerung erforderlich schien.

Bei ihrem Votum hat sich die SPD ausdrücklich von einer Austeritätspolitik mit verheerenden Folgen für Löhne, Renten oder Sozialleistungen in Griechenland distanziert. Die Vorstellungen der SPD von einem umfassenden Rettungskonzept sehen bekanntlich anders aus. Griechenland und die reformwilligen Kräfte brauchen Unterstützung und Anreize für die dringend benötigte Verwaltungsmodernisierung. Die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland liegt mittlerweile bei über 50%! Hier muss schnell auch mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds durch Maßnahmen für Berufseinstieg und Qualifizierungsprogramme Abhilfe geschaffen werden. Nur wenn Griechenland ausreichend Zeit zur Umsetzung dieser Strukturreformen erhält, kann das Land einen tragfähigen Haushalt entwickeln und zukünftig wieder auf eigenen Füßen stehen. Ein Aufbauprogramm für Wachstum und Beschäftigung ist durch die schnellstmögliche Einführung der Finanztransaktionssteuer zu finanzieren. Das hat die SPD in den Verhandlungen zum Fiskalpakt gegenüber der Bundesregierung und im Schulterschluss mit den sozialdemokratischen Regierungen in der EU durchgesetzt!

Ein weiterer wichtiger Punkt zur Stabilisierung ist die Einrichtung eines europäischen Schuldentilgungsfonds für Altschulden gemäß den Vorschlägen des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Damit kann notleidenden Staaten eine realistische Entschuldungsperspektive geboten werden.

Mit freundlichem Gruß

Karsten Becker