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Katja Dörner
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Frage von Andrea K. •

Frage an Katja Dörner von Andrea K. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Dörner,

Ich hätte gerne gewusst, ob und ab wann die Grünen die Contergangeschädigten endlich gleich und ihrer übernommenen Verantwortung gemäss entschädigen will und ob Sie/sie den Antrag der Linken zu einem diesbezüglichen Änderungsgesetz unterstützen.

Nur ca. 90% der Geschädigten bekommen seit 1972 Entschädigung. Der Rest bekommt nur Bruchteile oder garnichts bis heute. Hiergegen war 2008 leider nichts von den Grünen zu vernehmen
.
Da es sich nicht um eine soziale sondern eine entschädigungsrechtliche Leistung handelt, ist es nicht nur ungerecht, sondern gesetzwidrig, dass hier nicht alle gleich entschädigt werden (natürlich abgestuft nach Schädigungsgrad).

Es ist schon schlimm genug, dass die Contergangeschädigten in Deutschland insbesondere im internationalen aber auch im Vergleich mit anderen Geschädigten in Deutschland (siehe HIV, oder Gewaltopfer) seit Jahrzehnten völlig unzulänglich entschädigt und versorgt wurden, MENSCHENUNWÜRDIG ist es, 10% von dieser Gruppe auch noch dieses Wenige überwiegend vorzuenthalten !!!!

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Kornak,

vielen Dank für Ihre Frage auf Abgeordnetenwatch.

Seit Juli liegen die vorläufigen Ergebnisse einer Studie der Universität Heidelberg vor („Wiederholt durchzuführende Befragungen zu Problemen, speziellen Bedarfen und Versorgungsdefiziten von contergangeschädigten Menschen“). Die Ergebnisse, die uns aus dieser Studie vorliegen, sind zwar erst vorläufig, dafür aber umso deutlicher: Ungedeckte Bedarfe belasten Contergangeschädigte in einem Ausmaß, das fast nicht vorstellbar ist, wenn man nicht täglich damit lebt. Fast 85% der Befragten leiden an Schmerzen, ihre Bedarfe an Medikamenten, Hilfsmitteln, rehabilitativen Maßnahmen und physikalischer Therapie sind in großen Teilen nicht gedeckt. Nur wenige sind finanziell in der Lage, sie in Eigenleistung zu finanzieren. Der Bedarf an Assistenz im Alltag wird zunehmen, er ist bereits jetzt nicht ausreichend gedeckt. Ein bemerkenswerter Teil der Geschädigten kann aufgrund der Schädigung und mangelnder Versorgung nicht mehr arbeiten, entsprechend bestehen Verdienstausfälle.
Für die Politik bedeutet das: Wir müssen handeln, und zwar jetzt! Die Betroffenen werden immer älter, ihre Schmerzen nehmen zu. Ihre Bedarfe werden steigen.
Auch die Koalitionsfraktionen scheinen aus diesen Ergebnissen Konsequenzen ziehen zu wollen und streben einen interfraktionellen Dialog an. Bisher muss man sagen, ist allerdings recht wenig passiert. Die Fraktionen loten zunächst intern aus, wie sie sich inhaltlich positionieren möchten. Die Grüne Fraktion hat sich entschieden, keinen eigenen Antrag zum Thema Contergan einzubringen, sondern den interfraktionellen Dialog abzuwarten und dort auch die Forderungen der Geschädigten einzubringen. Wir gehen davon aus, dass es die Koalition ernst meint mit ihrer Aussage, in dieser Legislatur noch eine Erhöhung der Renten zu erwirken.
Der Antrag der Linksfraktion wurde am 25. Oktober in erster Lesung im Bundestag behandelt. Die Ausschussberatungen und abschließende Lesung stehen noch bevor. Darüber hinaus wird Anfang nächsten Jahres eine Anhörung zu diesem Thema stattfinden. Wir Grüne möchten die Anhörung und die Diskussion mit den anderen Fraktionen abwarten, bevor wir entscheiden, wie wir uns zu dem Antrag der Linksfraktion verhalten werden. Zweifellos greift die Linke darin die Anliegen und Forderungen der Betroffenen auf. Das begrüßen wir, auch wir stehen regelmäßig im Kontakt mit verschiedenen Interessenverbänden Contergangeschädigter. In strategischer Hinsicht bewerten wir den Antrag allerdings kritisch. Angesichts etwa der Forderung, dass 30 Prozent des Jahresgewinns des Unternehmens Grünenthal an die Conterganstiftung abgeführt werden sollen, ist eine Ablehnung des Antrags durch die Koalitionsfraktionen absehbar. Das hilft den Betroffenen nicht weiter. Bündnis 90/Die Grünen machen sich seit vielen Jahren engagiert dafür stark, dass contergangeschädigte Menschen endlich angemessen entschädigt werden. Um dies zu erreichen und dabei auch die Vorstellungen der Betroffenen einbringen zu können, scheint uns eine Verständigung aller Fraktionen strategisch sinnvoller.
Wir möchten den Schadensausgleich zügig verbessert und regelmäßig überprüfen. So ist es beispielsweise bereits jetzt möglich und notwendig, Renten für die Betroffenen zu erhöhen. Auch die Firma Grünenthal sollte sich an der Finanzierung des Schadenausgleichs beteiligen. Sie ist dazu rechtlich leider nicht verpflichtet, steht aber selbstverständlich in einer moralischen Verpflichtung. Über eine zügige Erhöhung der Renten hinaus müssen wir weiter darüber sprechen, in welcher Höhe den Geschädigten eine finanzielle Kompensation für den Verlust an Lebensqualität geleistet werden kann. Wir werden uns für eine solche Kompensation stark machen. Wir gehen davon aus, dass diese inhaltlich gerechtfertigte Forderung gegenüber den Koalitionsfraktionen in dieser Legislatur nicht durchsetzbar sein wird. Wie hoch eine solche zusätzliche Zahlung ausfallen sollte, darüber gehen die Meinungen auseinander. Wir müssen hier zu einer Lösung kommen.
Der Ärger der Betroffenen darüber, wie lange nichts oder zu wenig getan wurde, kann ich gut verstehen. Deshalb muss der Deutsche Bundestag nun zügig einen Beschluss fassen, der Ihnen ein Leben in Würde ermöglicht. Dafür setzen wir Grüne uns weiterhin ein, das kann ich Ihnen versichern.
Noch einige Worte zum weiteren parlamentarischen Prozess: Wie bereits erwähnt, wird der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Anfang nächsten Jahres eine Öffentliche Anhörung zu diesem Thema durchführen. Ein Termin für diese Anhörung steht noch nicht fest. An einer Öffentlichen Anhörung können Interessierte als Zuhörerinnen und Zuhörer teilnehmen. Sie müssen sich dazu im Sekretariat des Familienausschusses anmelden. Die Kontaktdaten finden Sie auf den Internetseiten des Bundestages. Inhaltlich äußern dürfen sich wie bei jeder anderen Öffentlichen Anhörung nur diejenigen, die von den Fraktionen als Sachverständige eingeladen wurden. Die Zahl der Sachverständigen steht bisher noch nicht fest, ebenso wenig ist geklärt, wer eingeladen wird. Im Rahmen der Anhörung selbst werden keine Entscheidungen getroffen, dort werden die Sachverständigen befragt. Ich gehe davon aus, dass nach der Anhörung interfraktionelle Gespräche stattfinden werden, in denen über einen Gesetzentwurf in dieser Frage entschieden wird. Diese Gespräche werden nicht öffentlich stattfinden.

Ihre Katja Dörner