Portrait von Lothar Binding
Lothar Binding
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Lothar Binding zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Horst W. •

Frage an Lothar Binding von Horst W. bezüglich Gesundheit

Nach der Anhörung im Finanzausschuss vom 17.05.21 ist klar geworden, dass sämtliche seriöse Experten aus der Wissenschaft das TabStModG in der geplanten Form ablehnen und daran massive Kritik geäußert haben.
(siehe auch: https://www.bundestag.de/presse/hib/842362-842362)

1) Warum werden Einzelmeinungen des Lobbyverbands Aktionsbündnis Nichtrauchen e.V. (ABNR) im Gesetzgebungsverfahren zum TabStModG sehr stark berücksichtigt, während sämtliche Stellungnahmen der seriösen Wissenschaftler größtenteils ignoriert werden?

Auf ihrer Webseite berichten Sie über zahlreiche Treffen mit Dr. Martina Pötschke-Langer vom DKFZ (2008-2016) und unterstützen die Aktionen des ABNR.
https://lothar-binding.de/lothar-binding-begruesst-dkfz-mitarbeiterinnen-auf-dem-bundesparteitag/
https://lothar-binding.de/binding-fordert-in-japan-umfassenden-nichtraucherschutz/
https://lothar-binding.de/ein-schock-fuer-die-tabaklobby/
https://lothar-binding.de/welt-nichtrauchertag-31-mai-2015/
Dr. Martina Pötschke-Langer ist seit 2016 Vorsitzende des ABNR.

Bereits zur Anhörung im vergangenen September wurde für das ABNR Dr. Ulrike Helbig-Schuster und Dr. Tobias Efferz eingeladen, der auch für das ABNR tätig ist.
https://www.bundestag.de/resource/blob/711030/08f87da9b4896378cecf7626cddad1b3/TO-data.pdf

Auch auf der Sachverständigenliste zur Anhörung vom 17.05. taucht das ABNR erneut auf.
https://www.bundestag.de/resource/blob/840860/f6495f9d5887003c71ceff5cb5e9ab98/SV-Liste-data.pdf
https://www.bundestag.de/presse/hib/790652-790652
https://www.handelsblatt.com/dpa/wirtschaft-handel-und-finanzen-streit-ueber-zukuenftige-hoehe-der-tabaksteuer/27196418.html

2) Welche Rolle hat die Nähe zum Lobbyverband Aktionsbündnis Nichtrauchen e.V. im Gesetzgebungsverfahren zum TabStModG gespielt?

3) Planen Sie nach der aktuellen Legislaturperiode und dem Ausscheiden aus dem Bundestag eine weitere Zusammenarbeit mit dem Aktionsbündnis Nichtrauchen bzw. deren Mitglieds-Organisationen?

Portrait von Lothar Binding
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Winkler,

vielen Dank für Ihre Frage hier bei Abgeordnetenwatch und Ihr Interesse an der Auswahl unserer Sachverständigen.

Aus Ihrer in eine Frage gekleidete Behauptung: „Warum werden Einzelmeinungen des Lobbyverbands…“ schließe ich, dass Sie bei mir einseitige Parteinahme entdecken. Und damit haben Sie Recht, meine Sichtweise und mein Engagement sind fast immer sehr einseitig:

Wenn es Reiche und Arme gibt, stehe ich auf der Seite der Armen. Wenn es Gesunde und Kranke gibt, stehe ich auf Seiten der Kranken. Wenn es Starke und Schwache gibt, kümmere ich mich um die Schwachen. Wenn nun aber ein Reicher krank ist, kümmere ich mich um den Reichen. Wenn jemand Süchtig ist stehe ich an seiner Seite ohne die Sucht zu unterstützen, ihre Ursachen aber zu bekämpfen. Wenn jemand seine egoistischen Privatinteressen auf Kosten der Gemeinschaft verfolgt, stehe ich auf der Seite der Gemeinschaft. Wenn jemand seine egoistischen Gewinninteressen auf Kosten Einzelner oder Gruppen verfolgt, stehe ich auf Seiten der Übervorteilten. Sie erkennen schnell, warum Ihre Beobachtung richtig ist.

Nikotin macht süchtig und rauchen macht krank, beides macht abhängig und ist sogar oft tödlich. Und dass sogar, obwohl man sein Leben lang keine Zigarette angefasst hat. Auch Passivrauchen tötet.

Vielleicht wissen Sie nicht, dass an den Folgen des Rauchens jedes Jahr etwa 130.000 Menschen sterben, und dabei geht es nicht nur um die Raucher:innen, sondern auch um einige tausend Passivraucher:innen. Dies verursacht unendliches Leid in den Familien, verursacht Leiden der Betroffenen in den Monaten vor dem Tod, es geht auch um Kosten für unsere Gesellschaft in Höhe von rund 100. Mrd. Euro. Sie werden aber verstehen, dass ich es nicht wage etwa ein Raucherbein in Euro zu bewerten. Es gibt auch nicht monetär messbare Folgen und es gibt mir wichtige Bewertungen jenseits des Geldes.

Schauen Sie sich diese Zahlen an und Sie erkennen, dass wir noch viel mehr auf Bündnisse und Institutionen wie das ABNR oder das DKFZ hören sollten, denen die Gesundheit der Menschen und unsere Gesellschaft am Herzen liegen, nicht der privategoistische Geldbeutel bestimmter Verbandsmitglieder.

Zu Ihren Fragen:

1) Leider ist Ihre Behauptung, dass Einzelmeinungen des ABNR besonders berücksichtigt werden, falsch. Hätten Sie Recht, müssten wir die Tabaksteuer in weniger Stufen und noch wesentlich stärker steigen lassen. Hätten Sie Recht, würden wir E-Zigaretten und Heat-not-Burn-Produkte“ höher besteuern und es gäbe nicht diese unrühmliche Debatte, diese gesundheitsgefährdenden Produkte auch noch geringer besteuern zu wollen, als im Gesetzentwurf vorgeschlagen. Denn sicher wissen Sie auch, dass mit den neuen Produkten die nächste Generation in die Sucht gelockt werden soll – alles andere wäre ja aus betriebswirtschaftlicher Sicht der Unternehmen auch völliger Unsinn, weil sie sonst ihren eigenen Untergang organisieren würden. Nein, hier brauchen wir Innovationen für zukunftsfähige Arbeitsplätze, Arbeitsplätze die nicht Krankheit und Tod fördern, sondern Wohlstand, Gesundheit, …

2) Wenn Sie meinen, ob wir ganze Passagen aus Papieren des ABNR abgeschrieben haben, wie es nicht selten bei bestimmten Fraktionen in anderem Kontext vorkommt, dann hat die Nähe keine Rolle gespielt. Wenn Sie meinen, ob ich die Gedanken und Ziele des ABNR teile und versuche eine Lösung im gemeinsamen Sinne zu erreichen, dann ja. Ein effektiver Nichtraucherschutz hilft unserer Gesellschaft ungemein, direkt den Betroffenen und indirekt uns allen durch niedrigere Folgekosten. Wenn Sie sich den Gesetzesentwurf und die Forderungen des ABNR anschauen, dann wollen CDU und CSU eine wirklich sinnvolle Besteuerung von Tabakprodukten verhindern – oder erkennen Sie die Forderung nach einer drastischen Anhebung der Tabaksteuer auf Zigaretten wieder? Politik für Gesundheit und Suchtprävention gehen anders. Insofern werden Sie schnell erkennen, dass hier die Nähe von Lobbyisten, Unternehmen und Verbände, die monetäre Ziele verfolgen, Ziele der Gewinnmaximierung einen ganz eigenen Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen will.

3) Über mein Engagement nach meiner Zeit im Bundestag werde ich mir zu gegebener Zeit Gedanken machen. Ich kann Ihnen aber bereits heute sagen, dass ich mir mein Engagement für die Allgemeinheit nicht als überteuerter Berater oder Industrie- oder Verbandslobbyist vergolden lassen werde.

Ich gehe davon aus, dass Sie auch die Kolleg:innen von CDU/CSU und FDP fragen, warum Sie regelmäßig etwa Vetreter:innen von Lobbyverbänden in Anhörungen einladen, die Partikularinteressen einzelner Branchen oder sogar einzelner Unternehmen vertreten. Selbst Wissenschaftler oder sich wissenschaftlich gerierende Institute sind häufig nicht wissenschaftlich objektiv, sondern bezahlte Auftragnehmer einzelner privater Interessenverbände.
Sie schreiben: „… ist klar geworden, dass sämtliche seriöse Experten aus der Wissenschaft“ und ich frage Sie, ob Sie meinen, dass ein Wissenschaftler, der sich vor der Anhörung im Bundestag mit der Lobby der Tabak- und Dampfindustrie in der Hamburger Landesvertretung (zum Briefing? zum Gedankenaustausch?) trifft, ein „seriöser Wissenschaftler“ im Sinne politischer Beratung des Parlaments ist.

Wie definiert sich eigentlich ein seriöser Wissenschaftler? Wenn Sie nur meine Meinung vertreten oder von einer angesehenen Universität kommen? Frau Dr. Pötschke-Langer hat früher am Deutschen Krebsforschungszentrum gearbeitet, einer weltweit anerkannten Forschungseinrichtungen, dessen ehemaliger Vorstandsvorsitzender, Prof. Harald zur Hausen, sogar den Nobelpreis bekommen hat. Herr Dr. Efferz ist Privatdozent an der Universität Hamburg, einer Einrichtung von sehr gutem Ruf. Jetzt könnten Sie argumentieren, dass sind ja wieder Einzelmeinungen, daher hier gerne noch die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGB), die die von Ihren seriösen Wissenschaftlern erwähnte E-Zigarette nicht zur Tabakentwöhnung im Sinne von „harm-reduction“ empfehlen. (Quelle: https://www.gesundheitsstadt-berlin.de/die-e-zigarette-ist-zur-raucherentwoehnung-nicht-geeignet-14796/ und https://www.mein-allergie-portal.com/asthma/3053-eine-ad-hoc-stellungnahme-der-deutschen-gesellschaft-fuer-pneumologie-und-beatmungsmedizin-dgp.html).

Vielleicht wäre es von Vorteil Sie zählten einfach einmal die Sachverständigen danach durch, ob sie direkt und indirekt (auch als Gutachter) von den Tabak- oder Dampfprodukten oder genauer von den Konsumenten bzw. Süchtigen, leben. Das gibt stets einen guten Einblick in die möglichen Wirkungen unserer Anhörungen.

Viele Grüße, Lothar Binding