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Niema Movassat
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Frage von Kanstansin K. •

Frage an Niema Movassat von Kanstansin K. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Movassat, lieber Genosse,

mich würde es interessieren, was die Linksfraktion in Sachen Hartz IV unternimmt?
Seit einiger Zeit ist es sehr ruhig um das Thema geworden.

Sind die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt?
Die Regelsatzhöhe ist m.E. immer noch viel zu gering, die Sanktionspraxis ist immer noch schlimm und m.E. wird das von den verschiedenen Jobcentern unterschiedlich praktiziert. Was tut Die Linke dagegen?

Immer wieder höre ich, dass sich Jobcenter mit der Ausbezahlung bei neuen Anträgen und bei Weiterbewilligungsanträgen sehr viel Zeit lassen. Kann Die Linke das nicht mal im Bundestag thematisieren?

Aus meiner Sicht ist die Sanktionspraxis auch deshalb so schlimm, weil die Ämter die Sanktionen noch immer selbstständig durchführen können und dann erst bei Sozialgerichten geklagt werden kann, und irgendwann verhandelt wird. Ist das so? Das ist im Strafrecht z.B. anders, da wird erst ermittelt und dann sanktioniert ( bestraft).
Von was die Menschen zwischenzeitlich leben sollen, ist mir ein Rätsel.

Auch zahlen manche Jobcenter meines Wissens manchmal nicht die ganze Miete.
Haben Sie dazu Zahlen, wie sich das entwickelt hat?

Mit freundlichen Grüßen

Kanstansin Kavalenka

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Kanstansin Kavalenka,

ich teile Ihre Kritik an den niedrigen Regelsätzen sowie der Auszahlungs- und Sanktionspraxis bei den Hartz IV-Bezügen. DIE LINKE hat sich in den letzten Jahren sowohl im Bundestag als auch außerparlamentarisch für eine grundlegende Verbesserung der Situation von Hartz IV-Bezieher_innen eingesetzt und wird dies auch in Zukunft tun.

Nach Ansicht der Partei DIE LINKE sind die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bezüglich einer notwendigen Erhöhung der Regelsätze nicht umgesetzt. Dies haben wir mit verschiedenen Anträgen zum Gesetzgebungsverfahren dokumentiert. Aktuell läuft ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, welches die Verfassungskonformität der aktuellen Regelsätze prüft. Die LINKE wollte die anderen damaligen Oppositionsparteien zu einer gemeinsamen Normenkontrollklage bewegen. SPD und Grüne haben dieses Vorgehen nicht unterstützt. Es bedurfte daher einer Richtervorlage, die das Sozialgericht Berlin ausgearbeitet hat. Im Laufe der Legislaturperiode wird die LINKE ihre Vorschläge zur Überwindung von Hartz IV wiederum vorlegen.

Auch Sanktionen hat DIE LINKE als eine verfassungswidrige Unterschreitung des gesetzlich festgelegten Existenzminimums massiv kritisiert. Wir haben die Petition von Inge Hannemann zur Abschaffung der Sanktionen unterstützt und gemeinschaftlich erreicht, dass der Bundestag sich in einer Anhörung am 17. März mit dem Anliegen auseinandersetzen muss. Ein Beitrag von Wolfgang Neskovic und Isabel Erdem haben die juristische Argumentation ausbuchstabiert (etwa hier: http://www.rosalux.de/publication/38422/sanktionen-bei-hartz-iv-unbedingt-verfassungswidrig.html ). Wir werden am Ball bleiben und die Sanktionen immer wieder skandalisieren.

Neben ihren parlamentarischen Aktivitäten hat DIE LINKE auch ein Netz von Beratungsangeboten im Aufbau. Entsprechende Informationen finden sich auf der Internet-Seite der Partei. Damit haben wir auch die Möglichkeit, Bürger_innen über ihre Rechte bei der Auszahlung der Hartz IV-Gelder zu informieren. Denn entgegen der von Ihnen zurecht kritisierten Praxis der Behörden, Auszahlungen oft zu verschleppen, sind diese dazu verpflichtet, bei gegenwärtiger Notlage "sofort und ohne jeden Aufschub" zu zahlen. Sofern die Bearbeitungsdauer zu lange dauert und prinzipiell ein Anspruch auf die Auszahlung von Leistungen besteht, haben die Antragsteller_innen einen Rechtsanspruch auf einen Vorschuss.

Beratung ist auch im Falle der von den Jobcentern eigenständig auferlegten Sanktionen wichtig. Denn rechtliche Gegenwehr gegen Sanktionen ist häufig erfolgreich. Die Erfolgsquote bei Widersprüchen lag 2011 aus Sicht der betroffenen Leistungsberechtigten bei etwa 40%. Gesetzlich können Leistungsberechtigten einen Gutschein beantragen, wenn die Sanktion mehr als 30% des Regelsatzes beträgt. Obwohl dem Wortlaut diese Regelung eine Ermessensentscheidung der Jobcenter darstellt, dürfte bei der akuten Existenzgefährdung das Ermessen gleich null sein - also: im Zweifelsfall sollten Betroffenen immer auf den Gutschein bestehen.

Zuletzt noch einige Worte zur Praxis mancher Jobcenter, die Kosten für die Miete nicht vollständig zu übernehmen. Sobald die örtlich festgelegten Angemessenheitsgrenzen bei den Wohnkosten überschritten werden, passiert es häufig, dass Leistungsberechtigte Teile ihres Regelsatzes zur Finanzierung der Wohnkosten einsetzen müssen, um in ihrer Wohnung bleiben zu können. Bundesweite Zahlen dazu finden sich auf der Internet-Seite von Johannes Steffen, der errechnet hat, dass 630 Mio. Euro von Hartz IV Leistungsberechtigen aus der Regelleistung aufgebracht werden müssen, um die Unterkunftskosten zu decken, die Analyse findet sich hier: http://www.portal-sozialpolitik.de/info-grafiken/hartz-iv-kosten-der-unterkunft

Mit freundlichen Grüßen
Niema Movassat