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Peter Tauber
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Frage von Thomas L. •

Frage an Peter Tauber von Thomas L. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Dr. Tauber,

Als ehrenamtlicher Beistand bei einem Jobcenter in Bayern habe ich Ihre Rede im Bundestag vom 26.04.2012 bzgl. "Abschaffung von Hartz IV - Sanktionen" zur Kenntnis genommen. Ihre Meinung bzgl des Verhältnisses Angestellter eines Jobcenters und Leistungsempfänger teile ich nicht. Sie entspricht nicht den Tatsachen. In über 50% meiner Fälle kommt es zu gravierenden Fehlern der Angestellten vom Jobcenter zu Lasten der Leistungsempfänger. Teilweise hat man den Eindruck, das diese Fehler schon mutwillig sind. Ich weise zudem auf die bestehenden Klagewellen bei den Sozialgerichten hin, wobei hier allerdings nur ein Bruchteil der betroffenen Leistungsempfänger klagt.

In Ihrer Rede plädieren Sie für eine Beibehaltung von Sanktionen gegen unwillige Hartz IV - Empfänger. Betroffen sind nach Ihrer Angabe ca. 3,4% unwillige Hartz IV - Leistungsempfänger.

Die alles entscheidende Frage wäre aber vielmehr:

Können Sie es denn verantworten, das in unserem Staat nur ein einziger Bürger und Arbeitsloser, der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes erhält, aufgrund von seiner "Unwilligkeit" sanktioniert wird, zu Tode kommt, weil er verhungert oder im Winter erfriert?

Nur am Rande darf ich noch vermerken, das ich einen derartigen Fall schon betreut habe, bei dem ein "unwilliger" (tatsächlich ist er psychisch krank) Leistungsempfänger körperlichen Schaden wegen Sanktionen erlitten hat.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Lugert,

vielen Dank für Ihre Frage zu meiner Rede im Deutschen Bundestag und die Schilderung Ihrer persönlichen Erfahrung. Besonders möchte ich mich dafür Bedanke, dass Sie als ehrenamtlicher Beistand uneigennützig Hilfe leisten, wo sie gebraucht wird.

Wie ich bereits bei meiner Rede im Plenum des Deutschen Bundestages sagte, sind nicht wir Abgeordnete es, die Sozialleistungen "verteilen". Vielmehr schaffen wir Abgeordnete einen gesetzlichen Rahmen, damit die Solidargemeinschaft denjenigen hilft, die Hilfe benötigen. Die Beitrags- und Steuerzahlern wollen von uns im Gegenzug wissen, was mit ihrem Geld geschieht.
Deshalb ist es auch meine Überzeugung, dass wir durch Hilfestellungen - das sind für mich die sogenannten "Sanktionen" - Hilfe zur Selbstständigkeit geben. Wie ich von Fachleuten immer wieder höre, brauchen einige ALG II-Empfänger Hilfe zur Selbsthilfe. Neben einer sozialen Begleitung können dies eben auch Leitlinien und Grenzen sein, an denen sie sich orientieren können. Deshalb habe ich mich im Bundestag auch für die Sanktionen ausgesprochen.
Die Klagewelle vor Sozialgerichten liegt in erster Linie an der Rechtsprechung selbst. Denn diese Interpretiert in die Gesetze vieles herein. Für mich als juristischen Laien sind die Gesetze und Handlungsanweisungen der Bundesagentur oftmals schwer verständlich. Ob jedoch 50 Prozent der Fachleute, und das sind die Mitarbeiter der Jobcenter, mit diesen Empfehlungen nicht ordnungsgemäß umgehen können, erlaube ich mir zu bezweifeln. Die Fehlerquote ist unbestritten zu hoch. Hier muss durch kontinuierliche Fortbildung und Fehlermanagement die Quote gesenkt werden. In den Jobcentern arbeiten Menschen, keine Maschinen. Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern haben in den letzten Jahren viele neue Aufgaben bekommen, die sie meistens mit großem Einsatz für ihre Mitmenschen erfüllen. Deshalb schließe ich mich einer allgemeinen Verurteilung dieser Mitarbeiter nicht an. Vielmehr muss in jedem Jobcenter von der Leitung selbst ein System gefunden werden, um Fehler zu minimieren und einen kundenfreundlichen Service zu leisten. Gesetze und Handlungsanweisungen bilden dafür den Rahmen.

Wenn Sie, sehr geehrter Herr Lugert, die Erfahrung gemacht haben, dass ein Mensch "körperlichen Schaden genommen hat", liegt das nach meiner Erfahrung an mangelnder Verzahnung zwischen Behörden. Ohne die genauen Einzelheiten des Falls zu kennen, kann ich hierzu keine Bewertung abgeben. Meine Hoffnung ist, dass der Betroffene mit Ihrer Unterstützung seinen Weg gefunden hat.

Ihre Zuspitzung hinsichtlich der drohenden Lebensgefahr für Leistungsempfänger muss ich entschärfen: Niemand wird in Deutschland ohne Alternative auf die Straße gesetzt. Das deutsche Ordnungsrecht kennt die "Gefahr für die Öffentliche Sicherheit". Hierunter fällt auch die Gefahr für die Gesundheit der Menschen. Da das Grundgesetz in Artikel 2 dem Staat hierfür einen starken Schutzauftrag erteilt hat, ist die Gefahrenschwelle ziemlich niedrig. Bevor ein Mensch in Deutschland körperlichen Schaden nimmt, ist der Staat zum Handeln verpflichtet. Beispielsweise kann ein Obdachloser in einem Obdachlosenheim Schutz finden. Wenn es sich um eine Familie handelt, kann auch eine Zuweisung einer Wohnung erfolgen. Die Kosten werden dann von der Kommune getragen. In Deutschland muss niemand auf der Straße leben und deshalb auch nicht im Winter erfrieren. Verhungern muss aus denselben Gründen in Deutschland auch niemand. Ich bitte Sie deshalb, über das ernste Thema ALG II sachlich zu diskutieren. Die Betroffenen haben nichts davon, wenn wir eine Boulevarddebatte führen. Sie brauchen Menschen wie Sie, die sie auf dem Weg in ein selbstständiges Leben ohne ALG II begleiten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Peter Tauber, MdB