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Frage von Norbert K. •

Frage an Sigmar Gabriel von Norbert K. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Gabriel,

am 16.09.2013 bin ich durch einen Hinweis in den Nachrichten meines Providers auf eine Nachricht in der tz-online mit der Überschrift "Trittin in Pädophilen-Affäre verwickelt" gestoßen. Danach verantwortete der Stadtratskandidat Trittin in Göttingen 1981 presserechtlich das Kommunalwahlprogramm der dortigen Alternativen-Grünen-Initiativen-Liste (AGIL), in dem für die Nichtbestrafung gewaltfreier sexueller Handlungen zwischen Erwachsenen und Kindern geworben wurde.

Sie, sehr geehrter Herr Gabriel, haben - zwar in Goslar aufgewachsen - ab 1982 an der Georg-August-Universität in Göttingen studiert. Deswegen frage ich Sie:
1. Ist Ihnen dieser Sachverhalt der AGIL damals bereits bekannt geworden oder kennen Sie ihn inzwischen?
2. Halten Sie Herrn Trittin angesichts seiner damaligen politischen Aktivitäten und Ansichten für einen Koalitionär der SPD weiterhin für tragbar?

Für Ihre Antwort bedanke ich mich bereits jetzt.

Mit freundlichen Grüßen

N. Kusch

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kusch,

Kindesmissbrauch ist kriminell– daran gibt es nichts zu rütteln. Die Beschlüsse der Grünen aus deren Anfangsjahren sind daher vollkommen irregeleitet. Sie sind zu Recht Gegenstand leidenschaftlicher Kritik. Die SPD steht für eine breite Debatte in Gesellschaft, Politik und Kirche über die Verharmlosung und Vertuschung von sexuellen Straftaten. Erst eine solche öffentliche Debatte ermutigte viele Missbrauchsopfer, über ihre Leidensgeschichte zu sprechen und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dazu leisten auch die Forschungsergebnisse von Professor Walter einen wichtigen Beitrag.

Von den Vorwürfen im Zusammenhang mit dem von Ihnen angeführten Göttinger Kommunalwahlprogramm des Jahres 1981 habe ich durch die Veröffentlichung der Wissenschaftler erfahren.

Die von Ihnen aufgeworfene Frage nach einer politischen Zusammenarbeit mit Jürgen Trittin stellt sich derzeit nicht, nachdem dieser inzwischen seine Ämter zur Verfügung gestellt hat. Ich will aber nicht verhehlen, dass es meinen ausdrücklichen Respekt hat, wie die Grünen inzwischen mit ihrer eigenen politischen Vergangenheit in der Frage umgehen. Es hat zwar eindeutig zu lange gedauert; aber nun wird offenbar nichts beschönigt und alles kommt auf den Tisch. So muss es auch sein. Die persönliche Erklärung von Jürgen Trittin der dortigen Alternativen-Grünen-Initiativen-Liste 1981 und das darin enthaltene Eingeständnis politischer Fehler sprechen für sich selbst.

Leider haben Union und FDP im Bundestagswahlkampf der Versuchung nicht widerstehen können, dieses Thema in einer Weise zum Teil ihres Wahlkampfes zu machen, die weder dem wichtigen Thema Kindesmissbrauch, noch den heute verantwortlichen Spitzenpolitikerinnen und -politikern der Grünen gerecht wird. Ich halte dies für völlig unglaubwürdig, - zumal die scheidende Bundesregierung unsere parlamentarischen Initiativen zur Verlängerung der strafrechtlichen Verjährungsfristen bei Kindesmissbrauch stets rigoros abgelehnt hat.

Im vergangenen Jahr hat die SPD den Jesuiten-Pater Klaus Mertes mit dem Gustav-Heinemann-Bürgerpreises ausgezeichnet: Er war es, der den jahrzehntelangen Missbrauch von Schülern des Canisius-Kollegs in Berlin öffentlich gemacht hat. Durch seine Initiative fanden die Opfer den Mut, über das Geschehen zu sprechen. In diesem Geist empfehle ich, die Irrungen, Verharmlosungen und Straftaten der Vergangenheit konsequent aufzuarbeiten ohne aus diesem sensiblen Thema parteipolitisches Kapital zu schlagen.

Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel