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Frage von Peter M. •

Frage an Wolfgang Schäuble von Peter M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Dr. Schäuble,

meine Frage ist an sich kurz und knapp: wieso wurde kein Netzwerkexperte zu der geplanten Infrastruktur befragt?

Es ist keine Schande, mit einer komplexen Materie wie der Internet-Infrastruktur nicht vertraut zu sein, aber es wäre Ihre Pflicht und die Ihrer Kollegen gewesen.

Kinderpornographie wird nicht auf "Seiten" getauscht, sondern wie bei allen Datei-Tauschbörsen werden hier Programme verwendet, die ein "Netz im Netz" bilden, also keine Namensauflösung brauchen.

Es funktioniert also nicht so, wie die meisten anderen Anwendungen im Netz, die Sie über Ihren Browser über www.irgendwas.de aufrufen können.

An klassischer, aufwändiger und leider auch teurer Ermittlungsarbeit kommt man nicht vorbei, wenn man tatsächlich etwas gegen die Ursachen unternehmen möchte.

Es ist mathematisch beweisbar, dass kein Kind weniger missbraucht und kein Bild weniger getauscht wird, wenn Sie diese Sperren einrichten! Das sage ich Ihnen als Experte für Netzwerk-Infrastruktur an einer renommierten Universität.

Die Kosten für diese im Sinne des Grundgesetzes gefährlichen Maßnahme sind anderweitig besser angelegt, zumal sich auch der gesamte deutsche Internetverkehr dadurch extrem verlangsamen würde.

Meine Frage an Sie, wie an alle, die für dieses Gesetz gestimmt haben, wieso haben Sie keinen Experten befragt? Diejenigen, die sich äußerten, haben einhellig dargelegt, dass das Instrument für die Zielsetzung nutzlos und für die FDGO gefährlich ist. Wieso wurde deren Rat nicht beherzigt?

Noch vor Beschluss wurden bereits, vor allem aus der Union, Ausweitungen gefordert, genau dies ist es, was allgemein zu befürchten steht.

Hier auf dieser Plattform hätten Sie Gelegenheit, dem über Sie vorherrschenden Bild des totalitär-autoritären Todfeindes der Grundrechte einmal klar entgegen zu treten!

Auf Ihre Antwort bin ich sehr gespannt!

Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Peter Müller

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Dr. Müller,

selbstverständlich hat die Bundesregierung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auch Netzwerkexperten angehört. So war zu der Sachverständigenanhörung im Unterausschuss Neue Medien am 12. Februar 2009 Herr Prof. Dr.-Ing. Hannes Federrath vom Lehrstuhl Management der Informationssicherheit geladen. Auch bei der Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie am 27. Mai 2009 war technischer Sachverstand durch Vertreter der Verbände eco und Bitcom vorhanden. Daneben haben IT-Experten der Ministerien das Gesetzgebungsverfahren intensiv begleitet.

Die Sachverständigen haben die im Gesetz als Mindeststandard vorgesehene Technologie (DNS-Sperre) im Hinblick auf Umgehungsmöglichkeiten durchaus kritisch bewertet. Mir ist jedoch nicht bekannt, dass die Verlangsamung des gesamten deutschen Internetverkehres von den Sachverständigen angeführt wurde. Im Gutachten der Technischen Universität Dresden zu Sperrverfügungen gegen Access-Provider wird eine solche Performance-Einbuße jedenfalls bestritten. Ebenfalls sprechen alle Erfahrungen aus Ländern, die bereits diese Technik einsetzen, gegen die von Ihnen angeführten Probleme.

Sachverständige des BKA haben uns erläutert, dass neben den von Ihnen angeführten Tauschbörsen – die in der Tat Gegenstand der Ermittlungsarbeit sind und sein werden – auch zahlreiche zumeist kommerzielle Web-Seiten mit kinderpornographischen Inhalten vorhanden sind, die mit einem Web-Browser aufgerufen werden können. Gerade diese Web-Seiten bilden nach Auffassung der Experten den Einstieg in den Konsum von Kinderpornographie in Tauschbörsen. Kunden dieser Seiten wird der Zugriff auf tausende Darstellungen des teils schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gewährt und es gibt Anhaltspunkte dafür, dass Kinder zum Teil gezielt für die Erstellung des vermarkteten Bild- und Videomaterials missbraucht werden. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wurde z. B. bekannt, dass die Verantwortlichen mit kommerziellen kinderpornografischen Webseiten ca. 1,2 Mio. US-Dollar pro Monat einnahmen.

Den Zugang zu Web-Seiten mit kinderpornographischen Inhalten zu erschweren ist daher Gegenstand des Zugangserschwerungsgesetzes. Das dabei nicht gleich zu Anfang eine hohe Umgehungssicherheit des Verfahrens gewährleistet werden kann, liegt auch daran, dass die Telekommunikationsunternehmen die Technik für umgehungssichere Sperren erst schrittweise einrichten müssen.

Der staatliche Zugriff auf bereits veröffentlichte und, wie im Fall von kinderpornographischen Inhalten der Fall, rechtswidrige Inhalte ist natürlich keine Zensur und stellt auch außerhalb des Mediums Internet selbstverständliche Praxis dar. Niemand würde sich beschweren, wenn die Polizei an einem Kiosk kinderpornographische Zeitschriften beschlagnahmen und damit den "Zugang" zu diesem Bildmaterial verhindern würde. Es käme wohl auch kaum jemand auf die Idee, diese Maßnahme mit dem Argument zu kritisieren, dass an anderen Orten auch solch furchtbare Druckwerke angeboten werden.

Die Zugangserschwerung im Internet wird andere Maßnahmen im Kampf gegen Kinderpornographie nicht ersetzen, sondern soll diese lediglich ergänzen. Insbesondere Strafverfolgungsmaßnahmen werden unvermindert umgehend ergriffen, sobald die Ermittlungsbehörden von der Erstellung oder Verbreitung von Kinderpornographie Kenntnis erlangen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble